O Radio, warum weckst du das Heimweh nach Kindheit

O Radio – warum wohl weckst du in uns Alten so sehr das Heimweh nach Kindheit? Im Jänner jenes Jahres, in dem Mozarts 200. Geburtstag gefeiert wurde, schenkte mir mein älterer Bruder zu meinem Geburtstag – die Nähe zu Mozart war für mich immer mit einem gewissen Hochgefühl verbunden - einen kleinen selbstgebastelten Wellenempfänger.

Gedanken für den Tag 27.9.2017 zum Nachhören:

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Mit dem konnte ich mittels eines einzelnen Kopfhörers – aus einem alten Funkgerät – Radio hören. Des Nachts unter der Steppdecke. Dieser seltsame Umstand verschaffte mir dennoch den Genuss, mich vom profanum vulgus, dem gewöhnlichen Volk der schlager-orientierten Mitzöglinge im Internat, abzusetzen und gleichzeitig mit hohem Anspruch gegen die Obrigkeit zu handeln.

Hubert Gaisbauer
ist Publizist und Mitbegründer von Ö1

Zärtliche Ironie des Wohlklangs

Ich war Schwarzhörer. Mein Hören hatte etwas angenehm Gefährliches und zart Unerlaubtes an sich. Die Dunkelheit war Voraussetzung für ein sinnliches Hörabenteuer und für einen sehr glücklichen Zustand im Kopf.

So kam es, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben eine ganze Oper hörte, „Cosi fan tutte“, unter dem Schutz der Steppdecke. Ich hörte hingegeben und reglos, denn hätte ich mich bewegt, wäre die schwierige Einstellung der mühsam gefundenen Wellenlänge gestört und die bittere Süße der Musik durch ein hässliches Rauschen unterbrochen gewesen. Nichts wusste ich noch von Spiel und Ernst um die Liebe, war aber gänzlich eingesponnen in die zärtliche Ironie des unendlichen Wohlklangs der Duette und Quartette. Davon ist mir in der Seele eine Wunde geblieben, die immer wieder aufbrennt vor Heimweh nach allen Himmeln der Liebe, wenn ich Mozarts Musik höre. O geliebtes Radio, warum weckst du sosehr in uns Alten das Heimweh nach Kindheit?

Musik:

Alban Berg Quartet: „String Quartet, No 14, K387 G major, IV Molto allegro“ von Wolfgang Amadeus Mozart
Label: EMI Classics LC06646