Fährleute sind sie
Gedanken für den Tag 30.9.2017 zum Nachhören:
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Auch Radiohören ist eine Kunst, die Kunst der Beharrlichkeit. Pérfer et obdurá, dolor híc tibi próderit ólim. „Sei geduldig und harre, irgendwann wird dir dieser Schmerz ein Gewinn sein.“ Der Satz aus der XI. Elegie des Ovid als Empfehlung beim Hören sogenannter „schwieriger Sendungen“: Wer nach den ersten zwei Minuten abdreht, nur weil das Ohr nicht gleich gehorsamst entzückt war, versäumt oft das Wertvollste. Radiokultur ist ad exemplum eine Kultur des Erinnerns, des Erzählens, des Er-wartens. Wer sich nicht abwendet, wird sehr oft mit der Eintrittserlaubnis in eine neue Welt belohnt. Und alle, die noch der Erschütterung fähig sind, werden manchmal sogar damit belohnt.
Hubert Gaisbauer
ist Publizist und Mitbegründer von Ö1
Hüter der Poesie
Denn Erschütterung kann heilen. Das habe ich von Peter Turrinis Hör- und Trauerspiel „Tod und Teufel“ über zwanzig Jahre im Kopf behalten. Auch Radio kann erschüttern, wenn wir nicht nur mit den Ohren hören. Radio kann der in ihrem Gefieder schütter gewordenen Seele wieder Flügel wachsen lassen, wenn Radio die Poesie hütet und Stimmungen zulässt, die Fantasie freisetzen, wenn es sich – in redlicher Weise – vor Gefühlen nicht scheut.
Gutes Radio geht mit dem Leid der Menschen in dem Bewusstsein um, dass es sich dabei um eine Kostbarkeit handelt. Nirgendwo sonst wird Ehrlichkeit und Authentizität so kompromisslos erkannt wie an der Stimme, einer Stimme, die die Erinnerung preisgibt, am Atem, am hörbaren Schweigen, von dem erst das Gesagte Kraft und Gewicht erhält. Gerade im Radio.
Musik:
Glenn Gould: „The Goldberg Variations, Aria“ von Johann Sebastian Bach
Label: CB841 LC0149