Bibelessay zu Matthäus 10, 34 – 39

Sie sind schon eine Zumutung, diese Sprüche Jesu im Matthäusevangelium: Mit Jesus mitzugehen, ihm nachzufolgen, das duldet keinen Kompromiss.

Familien entzweien sich, die eigene Existenz steht auf dem Spiel, ja vom Schwert ist die Rede - da schrillen bei uns alle Alarmglocken: Familienfeindlichkeit, menschenverachtender, sich selbst aufopfernder Fanatismus, nicht Frieden, sondern heiliger Krieg: Mit alledem sind wir in unseren Tagen zur Genüge konfrontiert.

Christoph Weist
ist pensionierter Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich

Konflikte sind unausweichlich

Es ist nicht ganz sicher, ob alle diese Sätze auf Jesus selbst zurückgehen, doch eines ist klar: Was hier durchschimmert ist die ganze Schwere der Situation der ersten Generation derer, die sich für ihn und seine Botschaft entschieden hatten. Da gab es nicht Friede, Freude, Eierkuchen im herkömmlichen Sinn, da war etwas völlig anderes und völlig neues in die Welt der einzelnen Frauen und Männer getreten. Der arme Wanderprediger hatte ganz neu erfahrbar gemacht, was die jüdische Tradition seit alten Zeiten gewusst hatte: Es gibt einen Gott, und der ist nichts anderes als unbedingter Wille zum Guten. Er hat Macht, und mit dieser Macht verwirklicht er seinen guten Willen. Jesus nannte das die „Königsherrschaft Gottes“. Wer da hineingehört ist wunderbar frei – und zugleich hart gefordert.

Lebenskunst
Sonntag, 5.11.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Denn bald wird spürbar: Was Gott will, wollen viele andere nicht. Da muss es zu Konflikten kommen. Dass diese Konflikte im engsten Kreis entstehen können, dürfte Jesus selbst erlebt haben. Nach dem Bericht des Evangelisten Markus hat ihn seine Familie für verrückt erklärt. Und das Schwert, mit dem die Sprüche so martialisch einsetzen? Ein Ausleger hat einmal geschrieben: „Das Schwert ist nicht in den Händen der Jünger, sondern in denen ihrer Gegner!“ Sie sind es, die angesichts der Botschaft Jesu zur Gewalt greifen.

Der Preis für echte Lebenskunst

Mit Jesus mitzugehen, ihm nachzufolgen, duldet keinen Kompromiss und führt zu Konflikten. Das ist die Aussage dieser Sprüche. Es ist keine Botschaft, die sich etwa für einen „wehrhaften Glauben“ begeistern könnte. Sie ist gestützt auf schwere Erfahrungen damals und sie ist heute bestätigt durch den langen Gang der Geschichte des christlichen Glaubens. Da muss man nicht erst an die weltweite Verfolgung von Christinnen und Christen denken. Da ist es schon die unselige Rede vom „Zuerst“ eines Volkes oder der persönlichen Interessen, die das Gegenteil ist zur Botschaft des Mannes aus Nazareth.

„Zuerst“ gibt es Gott und seinen guten Willen für die Menschen. Der kennt keine Ländergrenzen und kulturelle Unterschiede, und er allein kann verantwortungsvolle Sicherheit im Miteinander der Menschen und Nationen gewährleisten. Diese Sicht der Dinge hat Folgen vom Mittelmeer bis zum Brenner und bei jedem Schritt im Alltag. Es sind Folgen, die das Leben sinnvoller und schöner machen. Aber sie wecken Widerstände in der Politik wie im persönlichen Bereich. Mit diesen Widerständen wird der christliche Glaube rechnen müssen. Das mag eine Zumutung sein. Aber es ist eine Zumutung, die der Preis ist für eine Geborgenheit, die echte „Lebenskunst“ erst möglich macht.