Bibelessay zu 2 Sam 7, 1 – 5. 8b – 12. 14a. 16

Ende 2016 sind in Deutschland 4500 Menschen befragt worden, die aus dem Krieg geflohen und ins Land gekommen sind. Es sollte erhoben werden, was sie bewegt. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Im Forschungsbericht heißt es:

„Mit großem Abstand wird die Angst vor gewaltsamen Konflikten und Krieg (70 %) als wichtigstes Fluchtmotiv genannt. Andere wichtige politische Motive sind Verfolgung (44 %), Diskriminierung (38 %) und Zwangsrekrutierung (36 %).“

Paul M. Zulehner
ist katholischer Theologe und Religionssoziologe

Achtung der Menschenrechte

Gefragt wurde auch nach den Motiven, warum sie bevorzugt nach Deutschland kamen. Auch dieses Ergebnis macht nachdenklich. Wiederum wörtlich: „Der am häufigsten genannte Grund ist die Achtung der Menschenrechte (73 %). Seltener wird als Grund das deutsche Bildungssystem angegeben (43 %) und das Gefühl, in Deutschland willkommen zu sein (42 %). Knapp ein Viertel der Befragten nennt die wirtschaftliche Lage in Deutschland oder das staatliche Wohlfahrtssystem als Motiv für ihre Wahl.“

Lässt man sich von schutzsuchenden Menschen ihre Fluchtgeschichte erzählen, erfährt man von bedrohlichen Gefahren. Häufig spielen Schlepper eine Rolle, welche die Angst der Flüchtenden schamlos ausnutzen, ohne dabei immer sichere Fluchtwege zu garantieren. Tausende sind im Mittelmeer oder in der Ägäis ertrunken. Dazu kommt, dass über zehntausend Kinder unterwegs verschwunden sind. Menschen- und Organhandel wird vermutet. Und nicht wenige junge Frauen und minderjährige Mädchen werden von den Schleppern direkt an Zuhälter vermittelt.

Lebenskunst
Sonntag, 24.12.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Menschen fliehen vor den Bomben eines Krieges, in dem das Völkerrecht mit Füßen getreten wird. Das Bild des fünfjährigen Omran Daqnesh ging um die Welt. Im August 2016 wurde er in Ost-Aleppo aus den Trümmern eines zerbombten Hauses gerettet. Wortlos geschockt sitzt er im Rettungsauto, greift mit seiner Hand an seinen blutenden Kopf. Als er das warme Blut in seiner Hand spürt, versucht er dieses hilflos auf dem Sitz abzuwischen.

Bedrohungen auf der Flucht

Man kann gut verstehen, dass Mütter und manchmal auch Väter ihre Kinder genommen haben und zunächst in ein Flüchtlingslager in einem der umliegenden Länder ziehen. Und weil der Krieg schon zu lange dauert und ihre Kinder Jahr um Jahr ein Lebensjahr ohne Bildung verlieren, ziehen sie unter Gefahren nach Europa weiter. Dabei erwachsen zumal den Frauen auf der Flucht vielfältige Bedrohungen. In der Tageszeitung DIE PRESSE war am 19.1.2016 zu lesen:

„Zahra, 31, aus dem Irak, flüchtete im Herbst 2015 allein. ‚Du musst auf der Flucht immer auf der Hut sein, immer auf dich aufpassen.‘ Mehrmals sei sie von Männern, die mit ihr unterwegs waren, belästigt worden, anzügliche Sprüche seien an der Tagesordnung gewesen. Am schlimmsten sei es in einem Lager in Ungarn gewesen. ‚Die Wachmänner sagten, sie müssen mich durchsuchen und deuteten mir, dass ich mich nackt ausziehen soll. Sie haben mich überall angegriffen und gelacht - ich habe solche Angst, habe mich aber bemüht, ruhig und gleichgültig zu bleiben. Gott sei Dank haben sie mich nicht vergewaltigt.‘“

Weihnachten pur für alle

Das Volk Israel, so die Lesung aus dem Buch Samuel, war der kriegerischen Gewalt der Philister ausgesetzt. Dann übernimmt König David die Macht. Der Prophet Natan richtet ihm von Gott eine Verheißung aus: „Ich will meinem Volk Israel einen Platz zuweisen und es einpflanzen, damit es an seinem Ort sicher wohnen kann und sich nicht mehr ängstigen muss und schlechte Menschen es nicht mehr unterdrücken wie früher.“ (2 Sam 7,10)

„Einen Ort, wo man sicher wohnen kann und sich nicht mehr ängstigen muss“: Eine solche Verheißung spricht den schutzsuchenden Menschen aus dem Herzen. Können wir ihnen vorübergehend oder bleibend das Gefühl geben, dass solche Gottesworte auch heute gelten? Dass sie keine leeren Versprechen sind, weil Gott unsere Herzen berührt? Politiker könnten alles in ihrer Macht Stehende tun, dass der Krieg aufhört und niemand flüchten muss. Und in der Zwischenzeit könnten sie unsere Bevölkerung ermutigen, dass wir den Schutzsuchenden dadurch ihre Angst nehmen oder mindern, dass wir diesen das verlässliche Gefühl geben, dass sie bei uns sicher und willkommen sind. Das wäre für alle Weihnachten pur.