Sabbat II
Gedanken für den Tag 5.1.2018 zum Nachhören:
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Der Sabbat ist in der jüdischen Religion der siebente und letzte Tag der Woche, den Gott zur Ruhe bestimmt hat. Er beginnt am Freitag mit Sonnenuntergang und endet am Samstag mit Sonnenuntergang. Rose Ausländer schrieb mehrere Gedichte über den Sabbat – etwa das folgende, das den Titel „Sabbat II“ trägt:
Sabbat II
Heute ist
die Haut der Erde
zart
Das Messer schläft
das Feuer schläft
Am Scheitel der Mutter
der Friedensengel
bewacht das Haus
Weißbrot und Wein
Gast unser König
Wir singen
den siebenten Tag
wir rühmen
die Ruh
Cornelius Hell
ist Literaturkritiker und Übersetzer
Der Sabbat, den Rose Ausländer in ihrem Gedicht besingt, umfasst die ganze Welt: „Heute ist / die Haut der Erde / zart“, sagt die erste Strophe in einem sehr individuellen Bild. Die Bedrohungen sind ausgeschaltet: „Das Messer schläft / das Feuer schläft“. Der Sabbat ist ein Tag des Friedens – das Gedicht lässt am Scheitel der Mutter einen Friedensengel das Haus bewachen. „Weißbrot und Wein“ rücken ins Bild – die speziellen Sabbatbrote und der Sabbatwein für die Feier am Freitagabend. Fremde bei der Sabbatfeier zu bewirten, gehört auch zur jüdischen Tradition. „Gast unser König“ heißt es im Gedicht.
Und die letzte Strophe feiert den Sabbat: „Wir singen / den siebenten Tag / wir rühmen / die Ruh“. Die jüdische Tradition des siebenten Tages, des Sabbats und die christliche des ersten Wochentags, des Sonntags, sind bis heute humanisierende Pole der Ruhe in einem von Gelderwerb bestimmten Leben. Heute Abend beginnt wieder ein Sabbat. Morgen feiern die Christen das Fest der Erscheinung des Herrn und übermorgen den Sonntag. Auch an diesen Tagen kann man noch einmal die Ruhe rühmen, bevor dann der Alltag wieder beginnt.
Buchhinweis:
Rose Ausländer, „Im Atemhaus wohnen. Gedichte“, Fischer TB
Musik:
„Una Mattina“ aus: INTOUCHABLES - ZIEMLICH BESTE FREUNDE Original Soundtrack von Ludovico Einaudi
Label: TFI Musique / QUAD / Gaumont 4260072375215