Die Waldheim-Debatte

Die Generation of Memory, die sich kritisch mit den Mythen über die Vergangenheit auseinandersetzt, ist in Österreich durch die Waldheimdebatte 1986 geprägt. Dieser Konflikt hat sich an der berühmten Aussage des damaligen Präsidentschaftskandidaten über seine Kriegsvergangenheit entzündet.

Gedanken für den Tag 11.1.2018 zum Nachhören:

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Konfrontiert mit dem Vorwurf der Beteiligung an Kriegsverbrechen hat sich Waldheim mit den Worten verteidigt: „Ich habe im Krieg nichts anderes getan als hunderttausende Österreicher auch, nämlich meine Pflicht als Soldat erfüllt.“ Mit diesem Satz war der Gegensatz zwischen der offiziellen Opferthese und den Erfahrungen der Kriegsgeneration, der in den ganzen Nachkriegsjahrzehnten geschwelt hatte, unmissverständlich auf den Punkt gebracht. Die These von Österreich als unschuldigem Opfer des Nationalsozialismus war nun als „Geschichtslüge“ (Robert Menasse) entlarvt.

Heidemarie Uhl
ist Historikerin

„Und wie steht ihr heute dazu?“

Waldheim gilt heute als Aufklärer wider Willen, denn diese Debatte war der Auftakt zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der verdrängten Zeit des Nationalsozialismus. Diese Auseinandersetzung wurde dann umfassend im Gedenkjahr 1938/88 geführt. Ende der 1980er Jahre musste das Kapitel Nationalsozialismus in Österreich in den Schulbüchern neu geschrieben werden. In meinem Geschichtebuch hieß es noch: Österreich wurde 1938 gewaltsam okkupiert, Nationalsozialismus und Krieg waren Teil der deutschen und der Weltgeschichte, Österreich hatte damit nichts zu tun. Die österreichische Geschichte endete im März 1938 beim sogenannten „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutsche Reich und begann erst wieder mit der Unabhängigkeitserklärung am 27. April 1945.

Nach Waldheim war diese Darstellung nicht mehr möglich. Der Blick richtete sich nun vom Staat Österreich – der 1938 bis 1945 ja tatsächlich nicht existierte - auf die Gesellschaft. Und die Eltern- und Großelterngeneration war mit der Frage konfrontiert: Was habt ihr im Krieg, in der NS-Zeit gemacht? Und wie steht ihr heute dazu?

Musik:

Rundfunk Symphonieorchester Berlin unter der Leitung von Heinz Rögner: „Die Fabriken - 4. Satz“ aus: „Suite Nr. 3 op. 26“ von Hanns Eisler, aus dem Film „Kuhle Wampe“
Label: Berlin Classics 0092282 BC