„Erlösungspolitik“

Zur Ö1-Schwerpunktwoche „80 Jahre Anschluss“: Hitler betrieb, wie Ian Kershaw treffend schreibt, „Erlösungspolitik“. Deren Kern war ein Projekt der Reinigung, der „Säuberung“, der Befreiung - freilich nicht meiner selbst von meinen Sünden, sondern von den anderen und der Zumutung, die sie darstellen.

Gedanken für den Tag 13.3.2018 zum Nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Es ist eine eliminatorische Erlösung, die Hitler verspricht, eine Erlösung auf Kosten der Existenz anderer. Es ist die Erlösung von den Leiden dieser Welt, indem alles und alle beseitigt werden, die für dieses mein Leiden angeblich verantwortlich sind. Diese Erlösung hat im Vergleich zu religiösen Erlösungshoffnungen einen großen Vorteil: Sie ist politisch herstellbar, so verspricht sie zumindest.

Rainer Bucher
ist katholischer Theologe und Autor. Sein Buch „Hitlers Theologie“ ist im echter-Verlag erschienen.

Sehnsucht nach Gemeinschaft

Erlösungsversprechen docken bei tiefen Sehnsüchten an. An sich sind Sehnsüchte etwas zutiefst Menschliches: Unsere Sehnsüchte machen uns geradezu aus. Sie werden dort zu Versuchungen, wo sie fatale Antworten finden. Denn Versuchungen sind haltlose Versprechen, Versprechen, die zwar gegeben, aber nicht gehalten werden. Versuchungen spielen mit Sehnsüchten und beziehen von daher ihre politische Kraft und ihre persönliche Faszination.

Betrachtet man den Nationalsozialismus als das Projekt, das Ideal der homogenen „Volksgemeinschaft“ als Antwort auf die Kränkung der Niederlage von 1918 politisch umzusetzen, einer „Volksgemeinschaft“, in der eine heroische „Herrenrasse“ das Ideal des Kampfes zelebriert und sich dabei von einer pseudo-wissenschaftlichen „Weltanschauung“ getragen weiß, und das alles mit technischer Modernisierung verbindet, dann zeigt sich, welche Sehnsüchte der Nationalsozialismus bediente: die Sehnsucht nach Gemeinschaft, die Sehnsucht nach Kränkungslinderung, die Sehnsucht nach einem „heroischen“ Leben und die Sehnsucht nach Fortschritt ohne verwirrende kulturelle Pluralität.

Musik:

Jean Jacques Kantorow/Violine und Jacques Rouvier/Klavier: „Sonate für Violine und Klavier – Erster Satz“ aus: EIN HERZ IM WINTER / Original Filmmusik von Maurice Ravel
Label: Erato 4509939642