Judas

Wahre Freunde sind kostbar. Übt einer dieser (vermeintlich) wahren Freunde Verrat, dann ist das äußerst schmerzhaft. Als Verräter schlechthin in der Bibel gilt Judas Ischariot. Und doch: Könnte man die Sache nicht auch anders sehen?

Morgengedanken 17.4.2018 zum Nachhören:

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Wahrscheinlich war Judas so ziemlich der beste Freund von Jesus. So sieht dies jedenfalls Amos Oz, der berühmte israelische Schriftsteller in seinem Roman mit dem Titel "Judas.“ Demnach war dieser so von Jesus, von seiner Macht, Wunder zu wirken überzeugt, dass es ihm nicht schnell genug gehen konnte mit der Erlösung.

Hans-Peter Premur

ist römisch-katholischer Pfarrer in Krumpendorf am Wörthersee und Hochschulseelsorger in Klagenfurt

Judentum und Christentum

Er brachte Jesus gleichsam bewusst in die Zwangslage der Festnahme und der späteren Kreuzigung, damit er seine Gottheit offenbart und dann gleich das neue Himmelreich anbricht – wenn Jesus vom Kreuz steigt und damit das ultimative Wunder bewirkt. Doch es kam, wie wir wissen, anders – übrigens auch im Roman. Der Name Judas steht heute noch als Synonym für einen Verräter. Amos Oz sieht in der Judas-Erzählung die eigentliche Wurzel für den späteren Antisemitismus. Diese zerbrochene Freundschaft hat so wie Tschernobyl alles verseucht und ist ein schwerwiegendes Problem für viele Generationen geworden. Die Freundschaft zwischen Jesus und Judas bleibt unverständlich und dunkel. Wie auch manch eine Freundschaft in unserem eigenen Leben.

Lichtvolles lässt sich dagegen über das Verhältnis Judentum und Christentum sagen. Seit einigen Jahrzehnten ist diese Beziehung wieder eine bessere geworden. Man versteht sich wieder, ist wieder aufeinander zugegangen und lernt sogar voneinander. Und letztlich haben viele Juden auch mit Jesus wieder Freundschaft geschlossen als einen der ihren. So wie Amos Oz, der sich in Jesus und seine Visionen verliebte.