Nikodemus

Man hört in privaten Gesprächen davon, manchmal auch in den Medien: von Seilschaften, Vetternwirtschaft, dem sprichwörtlichen Prinzip „eine Hand wäscht die andere“. Mit „einflussreichen“ Personen befreundet zu sein, das hat es auch schon zu Zeiten Jesu gegeben.

Morgengedanken 18.4.2018 zum Nachhören:

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Freunde im Apparat eines Systems zu haben kann manchmal von Vorteil sein. Wenn man jemanden bei bestimmten Eliten kennt oder einen Freund im Aufsichtsrat, in der Regierung oder im Vatikan sitzen hat, dann kann das bisweilen einiges bewirken.

Hans-Peter Premur

ist römisch-katholischer Pfarrer in Krumpendorf am Wörthersee und Hochschulseelsorger in Klagenfurt

Ausbruch aus der Echokammer

Doch wie ist es umgekehrt? Wenn ein Minister, ein hoher Kirchenbeamter oder Systemträger eine Freundschaft zu einem Revolutionär unterhält? Mit einem, der die Massen bewegt und das eh schon morbide Gebäude der Gesellschaft ins Wanken bringt? So muss es dem alten Nikodemus ergangen sein. Das Evangelium erzählt uns, dass er ein Freund von Jesus war und öfter dessen Nähe gesucht hat. Aber im Geheimen! Er war nämlich ein Pharisäer und Ehrenbürger, also ein Mitglied des Establishments, das Jesus ja beständig provozierte und das auch in einem dekadenten und reformbedürftigen Zustand war.

Heute würde man das Wort „Echokammer“ dafür benützen, um zu erklären, woraus dieser Nikodemus eigentlich ausbrechen wollte. Er spürte, dass mit Jesus etwas Neues sich ankündigt und dass seine Standeskollegen dies nicht kapierten. Er wollte vielleicht am Werden dieses Neuen mitwirken und damit auch eine etwaige Katastrophe verhindern. Trotz der Freundschaft mit Jesus konnte er das nicht vollbringen. Aber er blieb ihm bis über den Tod hinaus treu. Auch das ist Freundschaft. Die Botschaft eines Menschen weiterzutragen und zu leben, obwohl er nicht mehr unter uns weilt.