Der innere Kompass

Die vier Himmelsrichtungen bestimmen die Position jedes Einzelnen. Es ist nicht egal, wo jemand aufwächst, welche Umweltbedingungen welches Leben ermöglichen. Ob Dürre das Umfeld prägt oder sattes Grün, schmutziges Trinkwasser oder ein umfassendes Gesundheitssystem – alles hat mit Geografie zu tun, Geschichte ist Erdgeschichte ist Geschichte des Raumes.

Gedanken für den Tag 27.4.2018 zum Nachhören:

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Es mag absurd erscheinen, dass als das größte Zeichen des technischen Fortschritts der Griff nach den Sternen gilt, der Schritt in den leeren Raum, wo die vier Himmelsrichtungen keine Rolle mehr spielen, wo oben und unten aufgehoben sind und nur noch Orientierungshilfe, um nicht den Verstand zu verlieren. Absurd angesichts der zahllosen ungelösten Probleme hier unten oder Fanal der Hoffnung? Wer vermöchte so etwas zu unterscheiden … aber Sonne, Mond und Sterne haben Sehnsucht und Fantasie seit jeher so beeinflusst wie die Vorstellung von fernen Ländern.

Reinhard Deutsch
ist Verleger

Tiefe des Selbst

Nun gibt es aber auch einen anderen Kompass, einen, der in uns liegt. Der richtet sich freilich nicht nach einem fernen Magnetfeld, der unterscheidet auch nicht mehr zwischen Nord und Süd und West und Ost, sondern zwischen Richtig und Falsch, zwischen Gut und Böse. In der Irrfahrt eines menschlichen Lebens ist dieser Kompass unentbehrlich, und er ist einem jeden Menschen gegeben. Wo er montiert ist, bleibt ungewiss. Kein Arzt hat ihn je gesehen. Dieser Kompass heißt – das Gewissen.

Das Gewissen. Auch der schlimmste Zyniker und Menschenfeind hat eines. Er mag es überdröhnen, überhören, überschreien. Das Gewissen ist nicht zum Schweigen zu bringen, denn es ist Teil des menschlichen Daseins. So wie die Nadel der Bussole unbeirrbar in Richtung Norden zeigt, so kann uns das Gewissen den Weg weisen. Unabhängig von Religion, Herkunft, Prägung, Wissen. Mancher mag sein Gewissen mit Füßen treten, es knebeln, aber er wird es nicht los.

Auch wer die Existenz der Seele leugnet, wird sich schwer tun, dem Menschen das Gewissen abzusprechen, diesen Kompass der Psyche und Befindlichkeit, diesen Wegweiser durch die Tiefen und Untiefen der menschlichen Beziehungen. In dem alten Satz vom sanften Ruhekissen liegt eine tiefe Wahrheit. Wer im Reinen ist mit sich und der Welt, der hat ein besseres Leben. Und diese Welt – die beginnt in uns, in der unauslotbaren Tiefe des Selbst.

Musik:

Ulrich Herkenhoff/Panflöte, London Philharmonic Orchestra, The London Voices und The London Oratory School Schola unter der Leitung von Howard Shore: „The Steward of Gondor“ aus: DER HERR DER RINGE - DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGS / Original Filmmusik von Howard Shore
Label: Reprise/WMG Soundtracks 9362485212