Mir geht ein Licht auf

Weil ich über das Licht sprechen möchte, fange ich bei der Dunkelheit an. Bei der Dunkelheit in geschlossenen Räumen.

Gedanken für den Tag 14.5.2018 zum Nachhören:

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Selbst wenn ich weiß, wo ich bin, macht sie das Vertraute fremd und mir wird bang. Gezwungen, mich tappend und lauschend zurechtzufinden, versuche ich, mich gegen die Angst zu wehren, die plötzlich in den bekannten Dingen lauert. Und ertaste endlich, überrascht und erleichtert, den Lichtschalter.

Ingrid Pfeiffer
ist Autorin und Kunsthistorikerin

Austausch von innen und außen

Oder jene Dunkelheit, wenn es draußen wirklich finster wird des Nachts. Die stockdunkle Nacht ist für in Städten lebende Menschen nur mehr ein Bild aus der Literatur; das Wilde der Finsternis, und wie sie die Menschen vereinzelt. Nur einmal, vor Jahren in Griechenland machte ich diese Erfahrung und tappte unsicher an einem Strand dem wischenden Rauschen des Meeres entlang.

Die Nacht ist nicht nur mir mehr als die Abwesenheit des Tages, und die Dunkelheit mehr als die Abwesenheit von Licht, sondern eine Quelle von eigner Art. Die Nacht zu mögen, sich auf sie einzulassen, gehört auch hierher – als Vorbereitung nicht zuletzt.

Und dann: Das Licht! Wenn einem ein Licht aufgeht, birst etwas, das bis zu genau diesem Moment gewartet hat. Wenn es geschieht, und plötzlich bei Licht besehen, zeigt sich der Raum um mich in seiner ganzen geheimnisvollen Vielfalt, ist der Strand eine stetig sich verschiebende, verwischende, lebendige Grenzlinie. Ein Prozess kommt in Gang, ein reger Austausch von außen und innen. Licht ist Bedeutung – das kommt von deuten, also von zeigen, (er)klären und damit auch von übersetzen. Staunend setze ich über, vom Dunkel ins Licht. Das ist ein natürlicher Impuls, der die Herkunft aus der Dunkelheit nicht verleugnet.

Musik:

Maurizio Pollini/Klavier: „Etüde op. 10 Nr. 6 in es-moll für Klavier – Andante“ aus: „Zwölf Etüden für Klavier op. 10“ von Frederic Chopin
Label: DG 4137942