Bibelessay zu Apostelgeschichte 2, 1 – 11

Ganz anders als Weihnachten mit seiner Überfrachtung und anders als das Osterfest mit seinen Gebräuchen und mit seinem Frühlingserwachen steht das Pfingstfest mit seiner Zurückhaltung im Ablauf des Kirchenjahres und der Wirklichkeit des Lebens. Gerade deshalb mag ich dieses Fest, es ist so ehrlich, auch wenn es oft vergessen und verdrängt wird.

Fünfzig Tage nach Ostern feiert die Kirche dieses Fest, die Sendung des Heiligen Geistes, des Geistes Gottes. Biblisch zurückgeführt wird das Pfingstfest auf den Bericht in der Apostelgeschichte, wo es heißt, dass der Geist Gottes auf die Jünger herabkam, als sie nach der Kreuzigung Jesu und der damit verbundenen Aussichtslosigkeit ihres eigenen Lebens zum jüdischen Wochenfest Schawuot nach Jerusalem zurückkehrten. „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ Sie gerieten in Staunen und konnten Gottes große Taten weitersagen.

P. Karl Schauer

ist Bischofsvikar der Diözese Eisenstadt

Sprachwunder

Nicht mehr die Sprachverwirrung beim Turmbau zu Babel, wie sie im Ersten Testament der Bibel beschrieben wird, sondern das pfingstliche Sprachwunder sollte zur bestimmenden Konstante der Zukunft werden.

Wie ist es in meinem Leben als Christ? Kann ich trotz aller Gottvergessenheit, die sich auch bei mir im aufreibendem Alltagstreiben breit macht, durch mein Leben, Tun und Reden zumindest ein wenig vermitteln, dass es gut und sinnvoll ist, sich auf Gott und seinen Geist, der im Menschen wirkt, einzulassen? Gelingt es mir, trotz aller Sprachverwirrung, Auskunft zu geben über diesen Gott des Lebens oder wenigstens das Gottesgerücht wachzuhalten?

Pfingstlicher Glaube

Viele wurden mit der Kraft des Geistes Gottes in der Taufe gesalbt, viele junge Menschen werden in diesen Wochen gefirmt oder konfirmiert, besiegelt mit der Gabe Gottes, dem Heiligen Geist. Ihnen möchte ich eigentlich sagen: Bleib dran! Dieser Geist ist im zermürbenden Stimmengewirr deines Lebens die Stimme der Wahrheit, ein Kompass für dein Leben. Der Ungeist, der Geist der Zerstreuung bringt Zerrissenheit, Unruhe, Traurigkeit und Getriebensein in dein Leben, der Geist Gottes, den du empfangen hast und der dir immer neu im Leben zugemutet wird, bringt aber Friede, Freude und Lebensentfaltung.

Lebenskunst
Sonntag, 20.5.2018, 7.05 Uhr, Ö1

Kürzlich hat jemand gemeint, Europa sei der Geist ausgegangen. Das könnte ich aber auch von einzelnen Geschichtsepochen und Kirchenzeiten sagen. In der Geistvergessenheit, vor allem der westlichen Kirche, braucht es – davon bin ich überzeugt - eine Revolution des Heiligen Geistes. Denn nur durch ihn wird Gottes Zuwendung an die Menschen lesbar und verstehbar. Ohne diesen Geist droht die Kirche zu einem institutionellen Gerippe, einem Skelett zu verkommen. Übrig bleiben würden verkümmernde religiöse Erfahrungen, Moralismus oder Reduktion auf rein soziale Fragen. Pfingstlicher Glaube ist weit mehr als Kulturchristentum, festgemacht an Traditionen und Symbolen - pfingstlicher Glaube ist Feuer.

Du bist viel wert!

Kürzlich hat ein Atheist gesagt: Er glaube zwar nicht an Gott, aber er habe Angst vor einer gottlosen Gesellschaft. Vielleicht hat er damit auch etwas über den Auftrag der Kirche gesagt, die ihre Geburtsstunde am Pfingstfest feiert. Daran möchte ich mitarbeiten, an einer Kirche, die aus sich selbst herausgeht und sich an die Grenzen der menschlichen Existenz wagt. Eine egozentrische Kirche hat nichts mit Pfingsten zu tun. Wie begegne ich Menschen in ihrer existenziellen Obdachlosigkeit mit ihrer Depression und Resignation? Wie kann ich Bindungsunfähigen, Suchtkranken, Arbeitslosen sagen: Du bist etwas wert, du hast einen Platz, ich schreibe dich nicht ab? Wie können Vereinsamung, Lebensunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit überwunden werden? Was ist mit der Sprachlosigkeit und den Kontaktängsten trotz aller sozialen Medien?

Im Vertrauen, dass Gottes Geist auch in mir wirken und mein Leben prägen kann, habe ich auch den Mut, auf Menschen zuzugehen und ihnen zu sagen: Du wirst gebraucht, du bist nicht überflüssig, du wirst nicht untergehen, du bist viel wert!

Papst Franziskus sagt: „Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an ihre eigene Sicherheit zu klammern, krank ist.“ Auch das hat mit dem Pfingstfest und Gottes Geist zu tun.