Biblisch sprechen lernen

Wie soll religiöses Sprechen beschaffen sein? Haltbare Sätze. Eine gerechte Sprache. Achtsame Rede. Worte, die die Herzen der Menschen treffen, die nicht verletzen, sondern heilen.

Gedanken für den Tag 2.6.2018 zum Nachhören:

Wo aber findet man solch eine Sprache? Man wird da eher bei den Dichtern als bei den Theologen fündig. Aber wenn die, die von Gott reden, auch Dichter sind, dann kommen sie dieser Sprache sehr nahe.

Prophetische Rede

In der jüdischen und christlichen Tradition sind das die biblischen Dichter. Biblische Dichter? Oft kennt man ihre Namen nicht, etwa bei den Psalmdichtern, die aber tiefste wie höchste Gefühle, alles, was die Existenz von Menschen ausmacht, zur Sprache gebracht haben. Man kann bei den biblischen Dichtern in die Schule gehen, man kann „biblisch sprechen“ lernen – und wird dann feststellen, dass alles, was heute zu sagen ist, schon längst gesagt wurde.

„Denn meine Seele ist gesättigt mit Leid, mein Leben ist dem Totenreich nahe“, heißt es in einem Psalm: „Du hast mich ins tiefste Grab gebracht, tief hinab in finstere Nacht.“ So konnte man vor Urzeiten schreien, und so klingt auch heute der Schrei vieler. Die biblischen Dichter haben Menschen in höchster Bedrängnis eine Stimme verliehen.

Die biblischen Dichter reden aber auch von Geborgenheit: „Ja, du wurdest meine Hilfe; jubeln kann ich im Schatten deiner Flügel.“ Und sie singen von der Freude trotz aller Dunkelheit: „Da hast du mein Klagen in Tanzen verwandelt … Darum singt dir mein Herz und will nicht verstummen.“

Was von diesen Dichtern noch zu lernen wäre, ist prophetisches Sprechen. Wahre religiöse Sprache ist prophetische Rede – etwa die Hoffnung, die ein anderer Psalm so auf den Punkt bringt: „Wenn Gott uns heimbringt aus der Verbannung, das wird ein Traum sein.“

Musik:

Sinfonia Varsovia (Jacek Kaspszyk) und Warschauer Kammerchor (Ryszard Zimak): „Qui erat et qui est“ aus: REQUIEM FOR MY FRIEND (Requiem dla mojego przyjaciela) in 2 Teilen von Zbigniew Preisner
Label: Erato 3984241462