Bilder der Flucht

Verzweifelte Menschen an der Grenze, eine erschöpfte Familie in der Wüste, ein gekentertes Boot im Meer. Bilder von vertriebenen und flüchtenden Menschen prägen die massenmediale Berichterstattung der letzten Jahre.

Gedanken für den Tag 11.6.2018 zum Nachhören:

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Diese aktuellen Szenen stehen in Beziehung zu einem Bilderreigen aus Tausenden Jahren Kunstgeschichte. Denn Darstellungen von Flucht und Vertreibung gehören zu den zentralen Themen der Menschheit. Sie erinnern auf dramatische Weise daran, dass seit jeher geflüchtet werden musste: vor religiöser und politischer Verfolgung, vor Hunger, Armut, Naturkatastrophen und Krieg.

Johanna Schwanberg
ist Direktorin des Dom Museum Wien

„Unmöglich“

In der Ausstellung des Dom Museum Wien „Bilder der Sprache und Sprache der Bilder“ gibt es mehrere Arbeiten, die sich direkt oder indirekt mit dem Thema Flucht befassen. Jedes Mal, wenn ich durch unsere stephansplatzseitige Ausstellungshalle gehe, berührt mich ein Video des bulgarischen Künstlers und Otto Mauer Preisträgers Kamen Stojanov besonders. Zu sehen ist ein kleines weißes Schlauchboot inmitten eines unendlich großen Gewässers. Das menschenleere Boot vollzieht kreisende Bewegungen. Auf den ersten Blick wirkt die Arbeit humorvoll und slapstickartig. Denn das Schiff versucht verzweifelt über Tage hinweg ein einziges Wort zu schreiben: „Impossible“, also auf Deutsch „unmöglich“. Je länger ich mir den Kurzfilm anschaue, desto mehr geht mir die Ernsthaftigkeit dieser Arbeit unter die Haut.

Was möchte mir der Künstler sagen? Dass es unmöglich ist, mit einem Boot zu schreiben? Oder, dass es unmöglich ist, mit einem kleinen Boot über das Meer zu flüchten? Vielleicht findet er aber auch den Umgang der wohlhabenden Industrienationen mit flüchtenden Menschen unmöglich? Die Antwort bleibt offen, denn qualitätsvolle Kunst lässt immer mehrere Deutungen zu. Eines sagt mir diese Arbeit aber auf jeden Fall: nämlich, wie wertvoll bildende Kunst für die Gesellschaft ist. Weil sie den Finger auf Wunden legen kann und mich zum Nachdenken bringt. Ohne zu moralisieren oder zu belehren.

Musik:

„Flucht ins Ungewisse“ von Kurt Adametz
Label: ORF Enterprise Musikverlag ORF-E-CD0052

Link:

Ö1-Schwerpunkt: Verteilung, Flucht und Migration