Wohin verschwinden die Grenzen?

„Wohin verschwinden die Grenzen?“ Das steht riesig groß in Deutsch und Tschechisch auf einer 50 Meter langen Metallkonstruktion mitten in der Landschaft geschrieben. Daneben sind Fotos von nachgestellten Grenzübertritten zu sehen.

Gedanken für den Tag 15.6.2018 zum Nachhören:

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Sie erinnern mich an dramatische Bilder, die wir alle aus Fernsehberichten und Zeitungsreportagen kennen. Es sind Szenen der illegalen Flucht von Mexiko in die USA, von Ost- nach Westberlin oder von Nordafrika ins italienische Lampedusa.

Die Arbeit des österreichischen Künstlerpaares Iris Andraschek und Hubert Lobnig ist einer der spannendsten Kommentare zu Flucht und Grenzziehung. Sie befindet sich im öffentlichen Raum, an der österreichisch-tschechischen Grenze in Fratres, und ist in Form eines Fotos der Installation derzeit im Dom Museum Wien zu sehen.

Johanna Schwanberg
ist Direktorin des Dom Museum Wien

Grenzen ziehen und überschreiten

Das fast ein Jahrzehnt alte Werk ist heute aktueller denn je. War man zu Beginn der 2000er Jahre noch stolz, dass die Grenzen zunehmend verschwinden, so ist das Thema der unmittelbaren Gegenwart wieder verstärkt das Errichten von Zäunen und Grenzen. Verschwinden die Grenzen also wirklich, wie lange, zumindest in Europa, prophezeit? Oder verlagern sie sich nicht vielmehr an andere Orte?

Andraschek und Lobnig fragen mit dem scheinbar widersprüchlichen Satz „Wohin verschwinden die Grenzen?“ nicht nur nach dem Ort der Verschiebung der real gebauten Grenzen. Vielmehr geht es auch um das Zwischenmenschliche. Um das, was zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen einer multikulturellen Gesellschaft geschieht. Selbst wenn die äußeren Grenzen verschwinden, so heißt das nicht, dass sie auch in unseren Köpfen verschwinden. Oft ist genau das Gegenteil der Fall.

Grenzziehungen sind im Leben notwendig. In der Kindererziehung, im Beruf, in Bezug auf die eigenen psychischen und körperlichen Grenzen. Mitunter auch zur Sicherung eines Landes. Genauso wesentlich wie die Grenzziehung sind aber auch das Sich-Öffnen und das Überschreiten von Grenzen. Ich selbst habe mich im Leben meist dort besonders bewegt, wo ich meine eigenen Grenzen gesprengt habe und offen geworden bin für Neues.

Musik:

„Valse Venezolano“ von Kurt Adametz
Label: ORF Enterprise Musikverlag ORF-E-CD0052