Bibelessay zu Markus 3, 20 – 35

Die Szene befindet sich eher am Beginn des Evangeliums. Jesus ist im Gebiet von Galiläa schnell bekannt geworden, als Heiler und Wundertäter zieht er viele Menschen an – das wäre heute sicher auch so. Aber – das finden nicht alle gut. Seine Angehörigen wollen ihn – so heißt es – „mit Gewalt“ zurückholen. Er sei „von Sinnen“, sagen sie.

Dies könnte ein Schutz sein, vermutlich weil die Angehörigen Jesu wussten, dass es gefährlich sein kann, in Besatzungszeiten mit einer neuen Lehre aufzufallen. Gleich im nächsten Satz bestätigt sich das. Die Schriftgelehrten von Jerusalem, die offiziellen Vertreter der Religion, nennen ihn vom „Beelzebul“ besessen. Die Herkunft des Namens Beelzebul ist fachlich umstritten, der Vorwurf ist klar: Jesus wird als Wundertäter der Zauberei und des Teufelsbündnisses verdächtigt.

Helga Kohler-Spiegel
ist katholische Theologin, Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin

Vom Satan besessen

Es gibt Konflikte, das ist in diesem Text aus dem Markusevangelium sehr deutlich: Da sind Jesus und seine Jünger „in einem Haus“, sie sind miteinander verbunden, sie wollen gemeinsam essen. Und da sind drei Gruppen von Menschen, die zu Jesus kommen: Die vielen Menschen, die ihre Hoffnung auf Jesus setzen; Die Angehörigen, die Jesus zurückholen wollen, weil er „den Verstand verloren habe“; Und da sind die Schriftgelehrten, die ihn mit massivsten Vorwürfen bekämpfen.

Jesus stellt sich zuerst diesen Vorwürfen der Schriftgelehrten, er hält seine Überzeugungen dagegen, er setzt sich mit ihnen auseinander. Vielleicht ist gerade das wichtig an diesem Abschnitt: Wenn es nötig ist, streitet Jesus. Er stellt sich dem Konflikt, er spricht seine Überzeugungen und auch seinen Anspruch deutlich aus.

Lebenskunst
Sonntag, 10.6.2018, 7.05 Uhr, Ö1

In dieser Auseinandersetzung fällt auch das Wort über „unvergebbare Sünden“. Darüber wurde bereits im Judentum diskutiert. Hier im Markusevangelium wird vertreten, dass alles vergebbar ist, außer dem Vorwurf, dass Jesus vom Satan besessen sei.

Jesus ist umstritten

Jesu Angehörige sind noch immer vor dem Haus, sie rufen ihn heraus und wollen ihn mitnehmen. Die Mutter Jesu und seine Brüder gehören (noch) nicht zum Kreis der Jüngerinnen und Jünger. Hier geht Jesus nicht in Kontakt, er kommt nicht aus dem Haus, er verweigert, für die Angehörigen sicher unangenehm. „Familienkritisch“ wird diese Position Jesu oft genannt: „Familie“ wird nicht mehr biologisch verstanden, sondern „Familie“ ist die neue Gemeinschaft rund um Jesus. Das ist bis heute eine große Herausforderung für eine Familie, wenn ein junger Mensch seinen eigenen Weg geht, wenn die Familie diesen Schritt nicht versteht und nicht gutheißt, wenn die Familie vielleicht auch in Sorge ist. Das ist bis heute nicht einfach…

Der heutige Text macht zwei Dinge deutlich: Jesus ist streitbar, er stellt sich den Konflikten, Jesus setzt sich mit den Anfechtungen von innen und den Anfeindungen von außen auseinander. Und: Jesus ist umstritten: Gleich am Beginn seines Auftretens führen Jesu Handeln und seine Worte dazu, dass sich Menschen positionieren: Was ist das für einer, der so handelt und so spricht?