Ökumenischer Realitätssinn gefragt
Zwischenruf 24.6.2018 zum Nachhören:
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Am 21. Juni war Papst Franziskus auf „ökumenischer Pilgerfahrt“ beim Weltrat der Kirchen in Genf. Erst zum dritten Mal hat ein Papst den Ökumenischen Rat besucht, der heuer sein 70-jähriges Bestehen feiert. Der Generalsekretär des Weltrates der Kirchen sprach im Vorfeld von einem historischen Meilenstein für die ökumenische Bewegung. Die ökumenischen Signale, die Franziskus aussendet, sind jedoch zwiespältig.
Ulrich H.J. Körtner
ist evangelischer-reformierter Theologe und Ökumene-Experte
Dämpfer für die Ökumene
Im Vorfeld seiner Reise nach Genf hat er den hoch gespannten Erwartungen, die besonders durch das Reformationsjubiläum 2017 geweckt wurden, gleich mehrere gehörige Dämpfer versetzt. Bei einer Audienz mit Vertretern des Lutherischen Weltbundes sprach er sich für ein langsameres Tempo in der Ökumene aus. Am selben Tag wurde der Brief an Kardinal Marx bekannt, mit dem die Zulassung evangelischer Ehepartner in konfessionsverschiedenen Ehen zur katholischen Kommunion in Deutschland vorerst vom Tisch ist. Nur wenige Tage zuvor erklärte der – von Franziskus berufene – Präfekt der Glaubenskongregation die Debatte über Frauen in kirchlichen Weiheämtern ein für alle Mal für beendet. Ohne Anerkennung der Ordination von Frauen bleiben die Abendmahlsgemeinschaft von Katholiken und Protestanten und damit die vollwertige Anerkennung der evangelischen Kirchen in weiter Ferne.
Roms Entscheidung in der Kommunionsfrage bedeutet nicht nur für Kardinal Marx einen Gesichtsverlust, sondern ist auch für die Leitung der evangelischen Kirche in Deutschland peinlich, die ganz auf den Münchener katholischen Erzbischof gesetzt und sich im Vorfeld mit ihm abgestimmt hatte. Auf einen deutschen Sonderweg, der in anderen Teilen der Weltkirche auf Unverständnis oder Ablehnung stößt, wollte sich Rom am Ende doch nicht einlassen. Er könnte übrigens auch Roms Ökumene mit den orthodoxen Kirchen belasten, wie der griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland, Augoustinos, verlauten ließ. Nun bleibt alles wie gehabt: In der Praxis scheren sich viele Gläubige, Priester und bisweilen auch Bischöfe nicht um die reine katholische Lehre – solange alles schön in der „pastoralen“ Grauzone bleibt und nichts schriftlich fixiert wird.
Zwiespältige Signale
Im Jubiläumsjahr 2017 hat es offenkundig mancherorts an Realitätssinn gemangelt. Franziskus ist eben doch nicht so progressiv, wie viele glauben. Nachdem er zunächst selbst dazu beigetragen hat, dass die römische Zentralmacht in Frage gestellt wird, hat er nun die Reißleine gezogen und genauso wie seine Vorgänger eine rote Linie markiert, wo es in lehramtlichen Fragen ans Eingemachte geht.
Zwischenruf
Sonntag, 24.6.2018, 6.55 Uhr, Ö1
Der Ökumene hat der Papst durch sein Lavieren, das ja auch sonst seine Taktik ist, jedenfalls geschadet. Anhänger des Papstes mögen seine Vorgangsweise als Kabinettsstück jesuitischer Taktik rühmen. Auf die Dauer kann dergleichen aber nicht gutgehen.
Wie zwiespältig die ökumenischen Signale des Papstes sind, zeigt ein weiterer, in der Öffentlichkeit kaum bemerkter Vorgang. Mit der Einführung des Festes „Maria, Mutter der Kirche“ am Pfingstmontag setzte Franziskus einen neuen Akzent, den man schwerlich als ökumenisch bezeichnen kann. Die Betonung der Rolle Marias bei der Geburtsstunde der Kirche stärkt die katholische Identität und den Geltungsanspruch Roms, fördert aber nicht die Ökumene mit den Kirchen der Reformation.
Für mehr Gelassenheit
Vielleicht kehrt jetzt ja nach der anfänglichen Franziskus-Begeisterung, die es auch unter evangelischen Christen gab, endlich wieder die Nüchternheit ein, welche die Ökumene braucht. Auf evangelischer wie auf katholischer Seite müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass nicht etwa nur der Reformwille, sondern die objektiven Reformmöglichkeiten der katholischen Kirche Grenzen haben. Sie könnten nur um den Preis überschritten werden, dass letztlich das ganze römisch-katholische Lehrgebäude in sich zusammenbricht. Nur wenn man das endlich begreift, ist eine realistische Ökumene möglich, die gelassen mit den zwischen den Konfessionen bestehenden Grunddifferenzen umgehen kann.