Bibelessay zu Johannes 6,1 – 15

„In dem Dorf meiner Kindheit gab es ein altes Backhaus. Einmal in der Woche wurde der große Backofen mit Holz angeheizt; dann zogen die Frauen mit ihren Blechen und Teiglaibern herbei, und bald schon wehte ein köstlicher, unbeschreiblicher Duft vom Backhaus her“, so beschreibt die Theologin Hannelore Morgenroth eine elementare Kindheitserfahrung.

Und weiter: „Heute noch habe ich den Duft in der Nase. Das Gefühl der Geborgenheit schwang darin mit, dass auch für mich genug da war, obwohl die Zeiten im Vergleich zu heute arm waren. Im Duft des Brotes und seiner Rundung war das Versprechen, satt zu werden.“ Soweit Hannelore Morgenroth.

Anna Hennersperger
ist Direktorin des Bischöflichen Seelsorgeamts der katholischen Diözese Gurk-Klagenfurt

In den vergangenen Wochen und Monaten hat sich still und unspektakulär das jährliche Wunder der Brotvermehrung auf unseren Feldern ereignet. Es erscheint wie selbstverständlich, dass die im Herbst oder im Frühjahr in die Erde gelegten Samenkörner keimen, austreiben, wachsen und Ähren bilden. Und falls kein Unwetter das Heranreifende zerstört, dürfen sich die Bäuerinnen und Bauern über gute Ernten freuen.

Verteilungsproblem

Im Westen Europas werden freilich Getreide-Überschüsse produziert. Sie werden exportiert und zum Teil zur Erzeugung von Bioenergie verwendet. Und der größere Teil der Menschheit leidet trotzdem Not. Unter anderem auch, weil ein Teil des Getreideüberschusses an Tiere verfüttert wird. Es ist nicht nur ein Verteilungsproblem. Die Not wird auch durch die Ansprüche des westlichen Lebensstandards erzeugt, der einen sehr hohen Fleischkonsum beinhaltet. Die einen leiden unter Mangel, weil die anderen sich alles nehmen, dessen sie habhaft werden können.

In der Erzählung von der Brotvermehrung, wie sie beim Evangelisten Johannes nachzulesen ist, steht der körperliche Hunger der Menschen jedoch nicht an erster Stelle.

Lebenskunst
Sonntag, 29.7.2018, 7.05 Uhr, Ö1

Teilen und Leben

Jesus war ein anziehender Mensch. Das wird in verschiedenen Zusammenhängen von allen Evangelisten erwähnt. Es ging wohl eine große Kraft von ihm aus. Er durchbrach nicht nur einmal die herkömmlichen Grenzen der gesellschaftlichen Konventionen. Er ließ die Menschen mit seiner neuen Rede von Gott aufhorchen. Er ließ die Ausgegrenzten und Abgeschobenen spüren, dass Gott sich an ihrer Seite befindet. Mag sein, dass ein neues Lied des Lebens in seiner Gegenwart lag wie ein Summen in der Luft. Jesus hatte den „Geruch“ des Brotes an sich. In seinem Umkreis duftete es nach dem Versprechen, dass bei ihm mehr zu stillen ist, als nur der körperliche Hunger.

Jesus spricht das Dankgebet und teilt aus. Er zeigt damit, dass im Umkreis Gottes genug da ist von dem, was Menschen nötig ist und was sie zum Leben brauchen können. So viel man will. Gratis. Und so viel, dass es auch im Teilen für jede und jeden reicht, - noch mehr: durch das Teilen geradezu vermehrt wird. Im Teilen wird das Leben wesentlich. Im Teilen kann man satt werden vom Brot, vom Wort und von der Liebe Gottes. Das Geteilte ist das Brot, das in der Tiefe der Seele sättigt.