Das Unendliche als Ärgernis

Heute möchte ich nochmal Paul Claudel selbst in einem Satz zu Wort kommen lassen, den ich als einen Gedankenstachel, so einen Nachdenkstachel empfinde:

Gedanken für den Tag 11.8.2018 zum Nachhören:

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„Das Unendliche ist allüberall für den Geist derselbe Abscheu und dasselbe Ärgernis. Sei gepriesen, mein Gott, dass du aus mir ein endliches Wesen gemacht hast. Du hast mir Verhältnis und Maß ein für allemal eingesenkt. Wir haben die Welt verstanden und haben gefunden, dass deine Schöpfung endlich ist.“

Die Welt verstehen

Das Unendliche ist ja nicht das Ewige, oder? Dass wir endliche Wesen sind, darüber bin ich auch froh, aber ich habe das Unendliche bisher nicht explizit mit einem Ärgernis in Verbindung gebracht?! Das mit „Verhältnis und Maß“ versteh ich schon wieder besser. Bei meiner Philosophie Pur-Lesung „Ueber den Tod“ bin ich auf eine Äußerung von Sören Kierkegaard gestoßen, in der er empfiehlt, „den ernsten Gedanken des Todes ins Leben einzuüben, um zu lernen Maß zu halten mit Trauern und Klagen.“ Und das meint Claudel wohl auch, dass man den Tod bedenken und begrüßen und von der Gegebenheit der Endlichkeit her ein Verhältnis und Maß für alles finden soll – für Gefühle und Gedanken, möchte ich hinzufügen.

Alexander Tschernek
ist Schauspieler und Radiomacher

Wobei – das Leben ja eigentlich total maßlos und überfüllig ist?! Ein Rausch, ein Tanz, ein wilder Strom, ein wirbelnder Wind. Das will ich nicht wirklich in spießige Maße einzwängen. In unserer Gesellschaft leben wir doch eher zu wenig als zu viel! Auf der Wolke oben möchte ich mich nach meinem Tod jedenfalls nicht ärgern, dass ich zu wenig gelebt habe. Aber freilich, deswegen muss man ja nicht das eine gegen das andere ausspielen. Und Claudel spricht ja auch von Geist, und von Maß und Verhältnis! Die Verhältnisse will ich durchaus bestimmen – mit und ohne Gott.

Und dann: „Wir haben die Welt verstanden und haben gefunden, dass deine Schöpfung endlich ist“. Ja, die Welt will ich verstehen. Wie sie tickt. In die Hintergründe des Geschehenden blicken können. Vieles von dem, was ich sehe und erlebe halte ich schließlich für eine Illusion. Ich bin mir sicher, dass der Tod mit Illusionen gnadenlos, vielleicht auch schmerzhaft aufräumt. Hab ich nix dagegen. Sonst hätte man ja den berühmten Schrecken ohne Ende. Und das ist doch der „Job vom Tod“, wenn ich mir erlauben darf, das so salopp zu sagen. Wichtig ist, sein Leben zu finden, das Leben zu spüren – und das geht sicher leichter, wenn man, wie Claudel sagt, seinen „Atem des Inneren“ gefunden hat.

Musik:

Homero Francesch/Klavier: „Jeux d’eau“ - für Klavier von Maurice Ravel
Label: Ex Libris 6080

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Alexander Tschernek