Mariendarstellungen und Himmelfahrten

Nachrichten, Dokumentationen, Doku-Soaps, social media, Werbung; echtes wie manipuliertes Material drischt heutzutage förmlich auf uns ein.

Gedanken für den Tag 13.8.2018 zum Nachhören:

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Unsere westliche Kultur ist eine Kultur des Bildes. Also ist die Kultur der ganzen globalisierten Welt eine Bildkultur. Politiker, Parteien, Organisationen, Firmen nutzen Bilder in der Ökonomie der Aufmerksamkeit. Religionsgemeinschaften ebenso. Das Christentum begann im großen Stil damit, sobald es im 4. Jahrhundert von den Kaisern unter die Fittiche genommen worden war. Seitdem erinnern Bilder an die Zeit der Verfolgung, vergegenwärtigen Ikonen Märtyrer und Märtyrerinnen, imaginieren Großformate die Wiederkehr Christi am „Jüngsten Tag“.

Sehnsuchtsort der Menschen

Generell gilt: Alles, was ein Bild zeigt, ist jetzt! Bilder machen Faktisches wie Fiktionales sichtbar. Perpetuieren, „verewigen“. Je naturnäher etwas dargestellt ist, desto wahrer erscheint es. Das wurde in der Renaissance zum Problem! Die Reformation hat die Gefahr der Manipulation, die von Bildern ausgehen kann, erkannt und sich daher von ihnen distanziert. Die katholische Kirche, die am Mittwoch dieser Woche das Fest der Aufnahme Mariä in den Himmel feiern wird, ging in die Gegenrichtung. Sie erhöhte am Beginn des 16. Jahrhunderts den Einsatz finanzieller Mittel für die Bildproduktion; in der Hoffnung, Bilder würden helfen, die Einheit der Christenheit zu wahren.

Martina Pippal
ist Kunsthistorikerin und Künstlerin

Und so ist denkbar, dass 1517 – im Moment, da Luther seine Thesen am Hauptportal der Schlosskirche von Wittenberg anschlug – Tizian gerade den Pinsel in die leuchtenden venezianischen Farben tauchte, um seine „Assunta“ für den Hochaltar der Frarikirche in Venedig zu malen: stehend, groß, selbstgewusst, jung schwebt Tizians „Assunta“, die zum ewigen Leben erweckte Mutter Jesu, – in einem roten Kleid – aufwärts. Gott (als Vater, Sohn und Geist zugleich) ist – in einer höheren Stratosphäre – herangeglitten wie ein Adler. Gelbes Licht geht von ihm aus und hinterfängt die Frau.

Wir, die Bildbetrachtenden, sehen das. Nicht hingegen die Apostel unten im Bild. Weiß-graue Kumuluswolken haben das Geschehen ihren Blicken bereits entzogen. Nur den dramatischen Beginn – das Herausfahren der wieder Erweckten aus dem Sarkophag – haben sie miterlebt. Die Jünger sehen auch nicht, dass die Wolkenbank oben – um Gott und Maria – sich zu einem Kreis aus unzähligen glühend-orangen Putti rundet. Der Himmel, das ist bei Tizian: Licht, Wärme, Prosperität. Sehnsuchtsort aller Menschen! – Wäre da nicht der patriarchale Aspekt, wonach die Frau den männlich vorgestellten Gott braucht, um zu leben.

Musik:

BartolomeyBittmann: „Ballercello“ von Matthias Bartolomey und Klemens Bittmann
Label: Preiser Records PR91290