Glaubenswahrheit

Morgen feiert die katholische Kirche die leibliche Aufnahme Mariä in den Himmel. Die Aufnahme nicht nur der Seele, sondern auch des Leibes (des Körpers) der Mutter Jesu hat Papst Pius XII. 1950 als Dogma verkündet und damit eine seit Jahrhunderten akzeptierte Tradition als Glaubenswahrheit bestätigt.

Gedanken für den Tag 14.8.2018 zum Nachhören:

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Nur sieben Jahre später begann die Raumfahrt. 1957 schickte die Sowjetunion den Sputnik in den „Himmel“: ihren ersten Satelliten, womit das Muskelspiel der beiden Großmächte UdSSR und USA eine neue Dimension erhielt – mitten im brandgefährlichen Kalten Krieg. In den 1950er Jahren war der Himmel landläufig nicht mehr der Wohnort Gottes, sondern die vom Sonnenlicht durchstrahlte Erdatmosphäre und der Kosmos, der nachts ahnbar wird. Der Himmel ist das Weltall. Das Universum. Die Summe von Raum und Zeit, von Materie und Energie, in der unser Planet als winziges Bällchen um unsere Sonne kreiselt.

Martina Pippal
ist Kunsthistorikerin und Künstlerin

Hinaufschweben durch die Wolken

Was meinte also die katholische Kirche, wenn sie 1950 die Aufnahme auch des Leibes Mariens in den Himmel, zum Dogma erhob? – Gewiss nicht, dass Maria wie eine Rakete in das All raste oder von Engeln dorthin gehievt wurde. Aber warum stellen wir uns diese Himmelfahrt unweigerlich so vor? Weil sie genau-so in Unmengen von Bildern dargestellt wurde. Rund ein Jahrtausend lang! Die größten Maler haben ihr ganzes Können eingesetzt, um sie präzise so zu inszenieren: als ein Hinaufschweben oder ein Hinaufgetragen-Werden – durch die Wolken, hinauf zu Gott.

Es sind die Bilder, die Macht über unsere Vorstellung haben. Das hat schon Carl Spitzweg erkannt. Der kauzige Humor des Münchners springt uns aus seinen kleinen biedermeierlichen Bildern entgegen. Aber auch aus seinen – weit weniger bekannten – Gedichten. Schon 100 Jahre vor der effektiven Verkündigung des Dogmas machte Spitzweg dafür den Renaissancemaler Tizian verantwortlich. Konkret dessen berühmte „Assunta“ von 1516 - 18 in der Frarikirche von Venedig. Mariä Himmelfahrt war für Spitzweg nicht mehr das Werk des allmächtigen Gottes, sondern das Ergebnis machtvoller Bilder, wenn er augenzwinkernd reimte:

Hättst du doch, goldner Tizian,
(Und mit dir auch noch andre)
Gemalt nicht, wie so himmelan
Maria leiblich wandre;
Hättst du dies Frauenkonterfei
So himmlisch nicht beschrieben:
Ein Dogma wär’ — ich bleib’ dabei
Vielleicht erspart uns blieben.

Musik:

Vladimir Ashkenazy/Klavier, Itzhak Perlman/Violine und Lynn Harrell/Violoncello: „Adagio - 2. Satz“ aus: Trio op. 11 in B-Dur für Klavier, Violine und Violoncello von Ludwig van Beethoven
Label: EMI 7474562