Bibelessay zu 1 Könige 19, 4 – 8

„Elija, was für ein Prophet! Elija, den musst du wirklich gut kennen, dann wirst du Jesus von Nazaret neu sehen lernen!“ Dafür hat mir schon vor vielen Jahren Albert Höfer die Augen geöffnet, der bedeutende Grazer Religionspädagoge, Theologe und Psychotherapeut.

„Elija ist eine überragende Gestalt des Alten Testaments“, setzte damals Höfer fort, „von ihm werden viele wundersame Begebenheiten überliefert. Nach manchen dieser bunten Geschichten haben dann die Evangelisten ihr jeweiliges Jesus-Bild gezeichnet. Zum Beispiel Lukas in seiner Darstellung von Jesu Aufnahme in den Himmel. Undenkbar ohne die faszinierende Erzählung von der Himmelfahrt des Elija am Jordan, im feurigen Wagen, gezogen von feurigen Pferden.“ Soweit Albert Höfer, der vor kurzem seinen 86. Geburtstag gefeiert hat. Ich bin ihm für vieles in meinem Leben dankbar.

Josef Schultes
ist Bibelwissenschaftler

Selbst verursachte Krise

Elija, der maßgebende Prophet, stammt aus dem kleinen Ort Tischbe in Gilead. Ein bergiges Gebiet, das heute zum Staat Jordanien gehört. Elija lebt im 9. Jhdt. v. Chr. und wirkt im sogenannten Nordreich Israel. Dort regiert zu jener Zeit König Ahab mit seiner Frau Isebel. Sie und ihre große Priesterschar verehren aber nicht JHWH, sondern Baal, den kanaanäischen Gott der Fruchtbarkeit. Welcher Glaube ist nun der wahre, der richtige? Biblische Autoren aus späterer Zeit inszenieren dazu einen Götterwettstreit; ihre irdischen Vertreter stehen einander auf dem Berg Karmel gegenüber. In der spektakulären Brandopfer-Show bleibt natürlich Elija der Sieger. Ich verstehe sehr wohl die Absicht der mitreißenden Erzählung. Lautet doch der volle Name des Propheten Eli-Jahu – „mein Gott ist JHWH!“ Trotzdem bin ich schockiert, dass er die Baalspriester niedermetzeln lässt, alle, 450 an der Zahl! Feuer-Eifer ohne Kompromisse: Muss er tödlich sein? Klare Konsequenz: Königin Isebel lässt Elija deshalb wütend verfolgen. „Da geriet er in Angst“, so beschreibt das 1. Buch der Könige seine selbst verursachte Krise. „Er machte sich auf und lief weg, um sein Leben zu retten. Und er kam nach Beerscheba in Juda“ (1 Kön 19,3).

Lebenskunst
Sonntag, 12.8.2018, 7.05 Uhr, Ö1

Unmittelbar darauf folgt diese Lesung, zugeschnitten auf die Brot-Rede Jesu aus dem Johannesevangelium, die sich über alle August-Sonntage erstreckt. Fünf kurze Bibelverse, wie so oft ohne allen Kontext; verständlich nur über die dramatische Vorgeschichte. Gegen die Überzahl der Baalspriester hat Elija gesiegt, der Schlag-Schatten der Königin holt ihn jetzt ein. Äußerlich flieht er vor ihr an die Grenze des Südreichs Juda, in den Negev, in eine Wüstensteppe. Er ist jedoch auch innerlich ausgetrocknet und erschöpft. Unter einem Ginsterstrauch sitzend, beklagt der zähe Einzelkämpfer sein Schicksal: „Nun ist es genug, HERR; nimm mein Leben“ (V. 4b). Typisches Burnout, so würde die psychotherapeutische Diagnose heute vielleicht lauten, schwere Depression mit Suizid-Gefahr.

„Stimme verschwebenden Schweigens“

Elija liegt am Boden, einsam und enttäuscht. Er findet nichts Nährendes mehr in seinem Dasein. Es braucht jemanden, der ihn anstößt, ihm die Augen öffnet. „Steh auf und iss!“ kúm ecól: nur zwei Worte im hebräischen Original. Es braucht einen Engel, der ihm Brot reicht, gebacken in der Asche seiner verbrannten Hoffnungen. Einen Gottesboten, der ihm das Lebenswasser zeigt, heilsam und stärkend. Denn ein langer Weg liegt vor ihm. Es ist ein Weg der Wandlung – 40 Tage und 40 Nächte – ein Weg in die Stille. Wie ihn auch der prophetische Mann aus Nazaret hunderte Jahre später geht.

Elijas Weg muss zum Berg Horeb führen. Denn Mose, große Kristallisationsgestalt der Tora, sollte dort ebenso seine entscheidende Begegnung mit JHWH erfahren. Doch nicht Sturm, Erdbeben oder Feuer sind Zeichen des sprechenden Himmels. Gottes Nähe rührt an Elijas Ohr und Herz als kol demamáh daqáh, als „Stimme verschwebenden Schweigens“ (Martin Buber). Dem leidenschaftlichen Propheten erscheint ein leiser und zärtlicher, ein milder und sanfter Gott.