Träume

1968 erlebte ich weniger als ein Jahr großer nachhaltiger Aufbrüche, sondern eher als ein Jahr des Träumens und mitunter bitteren Erwachens.

Gedanken für den Tag 4.9.2018 zum Nachhören:

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Gemäß dem Schlagertitel „Mit 17 hat man noch Träume“, der genau auf mein Alter zutraf, hatte ich 1968 viel für Träume übrig. Am 22. Jänner faszinierte mich im Theater an der Wien die deutschsprachige Erstaufführung des Musicals „Der Mann von La Mancha“, in dem die Hauptfigur das Lied vom unmöglichen Traum singt und die Arme nach einem unerreichbaren Stern ausstreckt.

Heiner Boberski
ist Journalist und Autor

Das Träumen nicht aufgeben

Ich bewunderte damals den schwarzen Bürgerrechtskämpfer und Pastor Martin Luther King, der in seiner berühmtesten Rede gesagt hatte: „Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne von früheren Sklaven und die Söhne von früheren Sklavenhaltern auf den roten Hügeln von Georgia am Tisch der Bruderschaft zusammensitzen können. Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht nach der Farbe ihrer Haut, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden.“

Am 4. April 1968 wurde King, bis dahin der jüngste Friedensnobelpreisträger der Geschichte, in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee erschossen. Damals brachen in den USA Unruhen mit Dutzenden Toten und Verletzten aus, aber nicht in Indianapolis, wo der demokratische Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy spontan vor eine schwarze Zuhörerschaft trat und ihr sein Mitgefühl aussprach. Zwei Monate später fiel auch Robert Kennedy, der die Überwindung der Gewalt in den USA zu seinem Ziel erklärt hatte, einem Attentat zum Opfer. Wie im Fall King und wie im Fall seines 1963 ermordeten Bruders, des Präsidenten John F. Kennedy, wurde auch im Fall Robert Kennedy ein Täter festgenommen. Welche Hintermänner es mutmaßlich gab, wurde freilich in allen drei Fällen nie geklärt.

Die Weltereignisse sind oft zum Verzweifeln. Aber auch wenn ich schon lange nicht mehr 17 bin, möchte ich das Träumen nicht aufgeben.

Musik:

Josef Meinrad, Fritz Muliar und Orchester des Theaters an der Wien unter der Leitung von Johannes Fehring: „Der unmögliche Traum“ aus: DER MANN VON LA MANCHA / Musical / Querschnitt von Mitch Leigh, Joe Darion und Robert Gilbert
Label: Polydor 5215722