Jom Kippur

Heute begehen unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ihren höchsten Feiertag: Jom Kippur, das Versöhnungsfest.

Morgengedanken 19.9.2018 zum Nachhören:

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Heute ist Jom Kippur, das jüdische Versöhnungsfest: Im alten Jerusalemer Tempel wurde früher an diesem Tag ein Ziegenbock geopfert: Man hat ihn - symbolisch - mit den Sünden des Volkes beladen und in die Wüste geschickt. Oder nach anderer Überlieferung „in die Freiheit entlassen“.

Elisabeth Rathgeb
ist Seelsorgeamtsleiterin der katholischen Diözese Innsbruck

Sündenbock und schwarzes Schaf

Aus diesem Ritual stammt unser Begriff „Sündenbock“. Eine Person oder eine ganze Gruppe wird für ein Problem verantwortlich gemacht, das man gerne los hätte oder zumindest nicht als eigenes wahrnehmen möchte: Früher waren es die Juden. Heute sind es „die Ausländer“ oder „der Islam“. Was für die Gesellschaft der Sündenbock ist, ist in der Familie das „schwarze Schaf“: Fast jede Familie hat eines. Und weder Bock noch Schaf sind in einer beneidenswerten Rolle. Deshalb gefällt mir die Idee des Versöhnungsfestes.

Wir enttarnen zuerst den Sündenbock-Mechanismus: Wer ist mein Lieblings-Sündenbock? Und wozu brauchen wir ein schwarzes Schaf in der Familie? Und schauen dann: Welche dunklen Seiten in uns selber möchten wir gerne in die Wüste schicken? Da fängt Versöhnung an. Dann können wir die klassischen Sündenböcke und schwarzen Schafe getrost in die Freiheit entlassen und in Frieden mit ihnen leben. Vielleicht sollten wir alle heute in diesem Sinn Jom Kippur feiern: ein Versöhnungsfest.