Faires Mit- und Gegeneinander

Stramme Waden, durchtrainierte Frauen und Männer auf hochpräzisen und technisch ausgereiften Rennmaschinen, die mit atemberaubender Geschwindigkeit über steile Bergstraßen oder durch enge Gassen fahren; ausgeklügelte Teamarbeit, die den Teamkapitän am Ende als Sieger ins Ziel bringen soll. Und das alles inmitten einer wunderschönen Landschaft, die den Fernsehzuschauern weltweit geboten wird.

Zwischenruf 23.9.2018 zum Nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Das alles verspricht die Straßen-Rad-Weltmeisterschaft. Sie begann am 22. September buchstäblich vor meiner Haustür in Innsbruck, und wird noch eine Woche das Leben und die Bewegungsfreiheit der Tiroler und Innsbrucker stark beeinträchtigen. Andererseits – so hoffen es die Veranstalter – wird diese Weltmeisterschaft auch gute Stimmung verbreiten und für spannende Momente sorgen. Immerhin: Wann werde ich es nochmals erleben, dass die versammelte Weltspitze des Radsports mehrmals unter meinem Balkon vorbeirauscht?

Olivier Dantine
ist Superintendent der evangelisch-lutherischen Diözese Salzburg und Tirol

Christentum und Sport

Was wir hoffentlich nicht erleben werden sind Nachrichten über gedopte Sportlerinnen oder Sportler. Gerade der Radsport gehört zu den Sportarten, in denen Doping eine große Rolle spielt. Der ernsthafte Kampf dagegen hat in dieser Sportart reichlich spät begonnen, und immer wieder geraten auch sehr prominente Sportler in Dopingverdacht. Ich selbst habe gemischte Gefühle diesem Sport gegenüber. Faszination und Bewunderung für herausragende Leistungen einerseits, anderseits Skepsis, ob alles mit rechten Dingen zugeht, und nicht doch immer noch Sportler dabei sind, die mit unfairen Mitteln kämpfen und dabei ihre eigene Gesundheit massiv aufs Spiel setzen.

Christentum und Sport, auch das ist eine spannungsreiche Beziehung. Skeptisch betrachtete man in der Antike den heidnisch-religiösen Kult, der mit dem Sport eng verbunden war, aber auch die rein zur Belustigung veranstalteten römischen Spiele, in denen Tiere und gar nicht so selten auch Menschen ihr Leben lassen mussten. Trotzdem fordert der Apostel Paulus in seinem 1. Brief an die Korinther in einem Vergleich mit Läufern auf der Kampfbahn geradezu sportliche Anstrengungen, um das Evangelium zu verbreiten.

Respekt für die Konkurrenz

Dieses spannungsreiche Verhältnis zieht sich bis heute durch: Viele Sportler sind tief religiös, sagen, dass ihnen ihr Glaube viel Kraft gibt. Religiöse Gesten sind im Sport allgegenwärtig, wenn auch nicht von allen Sportverbänden gerne gesehen. Viele bekreuzigen sich vor dem Start, und dass ein Erfolgsmoment mit einem kurzen in den Himmel gerichteten Stoßgebet beantwortet wird, ist auch gar nicht so selten zu sehen. Andererseits stehen wesentliche Elemente im Sport in Spannung zum christlichen Menschenbild: Konkurrenz und der unbedingte Wille, besser als andere zu sein, und den Gegner zu schlagen. Der Wert eines Menschen hängt eben nicht vom „höher-schneller-weiter“ ab. Gerade der vorhin erwähnte Paulus schreibt auch, dass Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist.

Zwischenruf
Sonntag, 23.9.2018, 6.55 Uhr, Ö1

Geht also christlicher Glaube und Spitzensport überhaupt zusammen? Eines kann man von Sportlerinnen und Sportlern, auch von christlichen, nicht verlangen: Dass sie nach jahrelanger mühevoller und intensiver Vorbereitung im entscheidenden Rennen ihren Konkurrenten einfach so den Vortritt lassen. Der Siegeswille gehört zum Spitzensport dazu. Die Frage ist aber, welchen Preis jemand bereit ist zu zahlen, um diesen Siegeswillen in Erfolg umzusetzen. Geschieht dies um den Preis, die eigene Gesundheit oder die eines Konkurrenten zu gefährden, oder die Fairness im Wettstreit zu missachten, wird es problematisch. Fair-play und der Respekt für die Konkurrenz ist aus christlicher Sicht ein wichtiger Grundsatz für den Sport.

Christliches Menschenbild

heißt auch, dass sich der Wert des Menschen nicht am Erfolg misst. Im Sport betrifft das die Frage, wie ein Sportler mit dem eigenen Misserfolg umgeht, wie sehr er oder sie dem Konkurrenten vergönnt, besser als er selbst gewesen zu sein. Wie gehen sie mit Teamkollegen um, deren Fehler sie um den Erfolg gebracht haben? Wie verhält eine Sportlerin sich gegenüber einer besiegten Gegnerin? Mit Spott und Hohn oder zollt sie ihr für ihre Leistung Respekt? Nicht nur, wo der faire Sportsgeist spürbar wird, wird das christliche Menschenbild sichtbar. Besonders deutlich wird es, wenn sportliche Konkurrenten gut miteinander befreundet sind. Denn genau da zeigt sich, dass der Mensch, auch als Spitzensportler, mehr ist als nur „höher-schneller-weiter.“ Christlicher Glaube und christliches Ideal sind also kein Widerspruch zum Spitzensport. Das christliche Menschenbild ist auch im Sport eine wichtige Orientierung.

Allen Teilnehmern der Rad-Weltmeisterschaft wünsche ich ein faires Mit- und Gegeneinander, hoffentlich ohne schwere Verletzungen. Ich selbst freue mich auf spannende Rennen und fröhliche Stimmung direkt vor meiner Haustür.