Der Bäckerjunge

Im 500. Jubiläumsjahr von Klagenfurt führt Andrea Nagele durch ihre Stadt und deren Geschichte, die auch von Unrecht geprägt ist - und dem zutiefst christlichen Bestreben, an die Opfer zu erinnern.

Morgengedanken 6.10.2018 zum Nachhören:

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Als Psychotherapeutin arbeite ich mit Symbolen und Bildern. Dieser Umgang erleichtert es meinen Patienten, sich spielerisch ihren zu Grunde liegenden Konflikten zu nähern.

Andrea Nagele
ist Psychotherapeutin und Krimiautorin in Klagenfurt

Steinköpfe

So kommt es für mich auch nicht von ungefähr, sich Städtenamen durch Sagen, Legenden oder Mythen zu erklären. Da macht auch Klagenfurt keine Ausnahme. Die wohl gängigste Deutung ist jene, mit der auch ich als Kind zufriedengestellt wurde. Die Furt über den Fluss Glan, die „Glanfurt“, habe zum Ortsnamen geführt. Und da im Mittelalter die Pest in den Sümpfen um die Stadt wütete, wurde aus „Glan“ bald „Klagen“, da man viele Tote zu bedauern hatte.

Neben unterschiedlichen wissenschaftlichen Erklärungen gab es aber auch die folgende schön schaurige Geschichte, die mir als Kind weit besser gefiel. Es ist die traurige Geschichte eines Bäckerlehrlings. Folgendes soll sich zugetragen haben: Der Lehrling stellte versehentlich die Geldsäcke, die sein Meister für die Bezahlung des Getreides vorgesehen hatte, in den Mehlstaub hinter einer Truhe ab. Nachdem der Bäcker das Geld nicht mehr fand, beschuldigte er den Jungen des Diebstahls. Trotz der Unschuldsbeteuerungen des Bäckerlehrlings wurde dieser zum Tod durch den Galgen verurteilt. Kurz nach dem Tod des Unglücklichen fand die Bäckersfrau die Geldsäcke. Um das Unrecht in Erinnerung zu behalten, wurden am Haus des Bäckers sowie am Stadtgefängnis Steinköpfe des unglückseligen Bäckerbuben angebracht. Jedes Mal, wenn ich über den Alten Platz geh, trifft mich der Blick des jungen Mannes.