Über das Warten

Ich würde mich selbst als einen sehr geduldigen Menschen bezeichnen. Auch wenn ich den Spruch „Vorfreude ist die größte Freude“ bis heute nicht wirklich nachvollziehen kann, aber das Warten an sich war für mich selten ein Graus oder ein unüberwindbares Hindernis.

Gedanken für den Tag 13.10.2018 zum Nachhören:

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Eine neue Art des Wartens habe ich im letzten Jahr, meinem Freiwilligen Sozialen Jahr im Bereich der Grundversorgung von Asylwerbern und Asylwerberinnen, kennengelernt.

Wenn ich daran zurückdenke, erinnere ich mich an viele schöne Erlebnisse. Das unbeschwerte laute Lachen der Kinder beim gemeinsamen Fußballspielen, das Entdecken eines neuen Selbstbewusstseins junger Frauen, die lang ersehnte und nun endlich einkehrende Normalität und Ruhe. Neben diesen schönen und herzwärmenden Erinnerungen, denke ich aber auch oft an die vielen Diskussionen zurück, die tagtäglich geführt wurden.

Hanna Wäger
war Teilnehmerin am Freiwilligen Sozialen Jahr

Die Hilflosigkeit der Wartenden

Diskussionen über Gewalt, über verschiedene Religionen und Nationalitäten. Diskussionen über Streit, über Liebe. Und natürlich Diskussionen über das neue, das andere Leben in Österreich. Über Pflichten, Bürokratie und nicht zuletzt über das Warten.

Während des letzten Jahres habe ich viele Facetten des Wartens erlebt. Da gab es einerseits die Dankbarkeit, jede wartende Minute in Sicherheit, fern des Krieges genießen zu können. Es gab die Unbeschwertheit, die fest daran glaubte, dass alles gut wird. Und dann gab es den Zweifel, der mit ängstlicher Hoffnung dem Tag, an dem das Warten ein Ende hat, entgegenblickte. Dieser eine Tag konnte schließlich endlich Klarheit schaffen. Einen möglichen Neustart bringen oder all die aufgebrachte Mühe und Arbeit für sinnlos erklären.

Die Hilflosigkeit der Wartenden, alles getan zu haben und nun keinen Einfluss mehr auf eine so wichtige Entscheidung wie den zukünftigen Lebensraum zu haben, dieses Gefühl des Ausgeliefertseins wird mir wohl neben all den schönen Erfahrungen des letzten Jahres auch in schmerzender Erinnerung bleiben.

Musik:

The Lumineers: „Patience“ von Wesley Schultz und Jeremy Fraites
Label: Decca/Universal 4769325