Der Dreck des Lebens

Wer viele Tage zu Fuß unterwegs ist, macht Erfahrung mit Schmutz und Dreck – und das nicht nur äußerlich.

Morgengedanken 26.10.2018 zum Nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Nach Rom kommen das ganze Jahr über Pilger. Ich meine echte Pilger, solche, die über Wochen und Monate zu Fuß nach Rom unterwegs sind. Leute, die ein Anliegen haben, und dass sie es auf ihren Schultern getragen haben, man kann es erahnen, wenn man solche Pilger im Vatikan sieht: abgewetzte Schuhe, Haare strubbelig und staubig, etwas Modergeruch um die Jacke. Keine Erscheinung für die Körperhygiene-Fanatiker unter uns. Mehr als einmal habe ich Touristen in der Schlange vor dem Petersdom die Nase rümpfen sehen.

Gudrun Sailer
stammt aus dem Pielachtal in Niederösterreich. Sie lebt in Rom und ist dort seit vielen Jahren Journalistin im Vatikan.

Der Mensch - ein Reisender

Mir sagt der Anblick eines Pilgers, der lang gegangen ist: Das Leben gibt es nicht keimfrei. Wer lang auf ein Ziel zugeht, macht sich dreckig, und Dreck eine Weile ertragen zu können, ist nötig, um heil durchs Leben zu kommen. Dasselbe gilt für mein Inneres. Wenn ich nur vollkommene Seelensauberkeit ertrage und mich jedes Papierl in der Ecke nervös macht, werde ich kein Segen sein für mich und andere. Ich darf es halt auch nicht übertreiben mit meiner Drecktoleranz. Wenn ich sage: Ich bin dreckig, ihr seid dreckig, werdet ihr erst sauber, ich ziehe nach - dann bleibe ich stehen.

Wir Menschen sind aber keine Stehenbleiber. Wir sind als Reisende programmiert, als Pilger in unserer eigenen Geschichte. Und die kommt nicht aus ohne Schweiß, Staub und Schlamm - zu unserem Wohl. Und zu dem der anderen. Es lebe der Pilger, die Pilgerin in Rom, die mir das mit Haut und Haaren in Erinnerung ruft.