„Ein feste Burg...“

Das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen...“ ist nicht mein Lieblingslied. Luther selbst hat es gedichtet. Kaum ein Reformationsgottesdienst, in dem dieses Lied nicht gesungen wird. Für viele ist es die Kampfhymne des Protestantismus. Durch Jahrhunderte wurde es immer wieder missbraucht, von Kriegsparteien für ihre Zwecke instrumentalisiert.

Gedanken für den Tag 30.10.2018 zum Nachhören:

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Schon als Kind habe ich die Worte und Bilder bedrückend gefunden. Sie führen mich in ein kriegerisches Szenario mit Waffen, Kämpfen und Bedrohungen für Leib und Leben. Sie schildern eine existentielle Bedrängnis die ich, eine Frau, die in Friedenszeiten in Europa geboren und aufgewachsen ist, nie am eigenen Leib erlebt habe.

Luise Müller
ist evangelische Theologin und ehemalige Superintendentin von Salzburg und Tirol

Im 21. Jahrhundert angekommen

Besonders problematisch empfinde ich daher die Worte der vierten Strophe, wo Luther davon redet, dass man ihm seinen Besitz sowie Frau und Kinder nehmen könne, wenn nur Gottes Reich bliebe. „Nehmen Sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, lass fahren dahin, sie haben kein Gewinn“, so formuliert er. Da spricht ein Mann davon, seine Frau und seine Kinder dem Reich Gottes zu opfern. Ich weiß, dass dieses Denken der damaligen Zeit entsprach. Aber als emanzipierte Frau im 21. Jahrhundert beanspruche ich, alleine über mein Leben zu entscheiden. Kein Mann hat das Recht dazu.

Nachdenklich stimmt mich allerdings ein Eintrag in den sozialen Medien, wo ein junger Mann aus Afghanistan, der wegen seines Christseins fliehen musste, schreibt: „Ich liebe Jesus mehr als mein Leben“. Gott sei Dank hat sei Asylverfahren ein positives Ende gefunden. Niemand wird ihm hier bei uns sein Lebensrecht wegen seines christlichen Glaubens absprechen. Aber alles das, was Luther in drastischen Bildern beschreibt, hat er auch heute noch erleben und erleiden müssen.

Musik:

Continuum: „Eine feste Burg ist unser Gott“ von Martin Luther, bearbeitet von Martin Flindt
Label: Berthold Records BTH4730027 / Harmonia Mundi