„Was glauben Sie?“ - Paul Michael Zulehner

Der Religionssoziologe Paul Zulehner wurde am 20. Dezember 1939 in Wien geboren, studierte Philosophie und Theologie in Innsbruck, Wien und München. Er dissertierte über den Austromarxismus und habilitierte sich in Würzburg mit einer Studie über die Säkularisierung.

Seit 1984 war er Professor für Pastoraltheologie an der Universität Wien. Sein Spezialgebiet ist die Religions- und Werteforschung. Neben seinem engeren Fachgebiet hat er u. a. zum Thema Jugendwerte, Männerforschung, zur Sinnfrage in der Gesellschaft und zum Kirchenbeitrag publiziert.

100 Jahre Trennung von Thron und Altar

Obwohl seit 2008 emeritiert, ist Zulehner weiterhin wissenschaftlich und publizistisch tätig. In „Werden, was ich bin – ein spirituelles Lesebuch“ zeigt sich Zulehners Interesse für die Mystik Teresa von Avilas und Meister Eckharts. Zuletzt, Anfang 2018, erschien von ihm „Ich träume von einer Kirche als Mutter und Hirtin. Die neue Pastoralkultur von Papst Franziskus“. Darin beschreibt Zulehner Papst Franziskus als einen Mann, der in wenigen Jahren die Seelsorgekultur der katholischen Kirche tiefgreifend verändert hat. Der Papst setze für die Kirche neue Akzente: Statt auf die Sünde zu schauen, soll mehr auf die Wunden der Menschen geschaut werden, statt zu moralisieren, solle sie mehr heilen. Für Zulehner ist der Papst ein Werber für einen Kurswechsel in der Kirche, von der er eben sagt: „Ich träume von einer Kirche als Mutter und als Hirtin.“

Logos
Samstag, 10.11.2018, 19.05 Uhr, Ö1

2018 ist auch das Jahr, in dem der Republikgründung Österreichs vor 100 Jahren gedacht wird. 1918 ist zugleich das Scheidungsjahr einer jahrhundertealten Verbindung von Thron und Altar, ein Prozess, der sich bis zum sogenannten „Anschluss“ Österreichs im Jahr 1938 gezogen hat. Die Vormachtstellung der römisch-katholischen Kirche ging zu Ende, die als Hausreligion der Habsburger bislang eine De-facto-Staatsreligion gewesen war. Geblieben ist nur ein völkerrechtlicher Vertrag: das unter Dollfuß verhandelte Konkordat mit dem Heiligen Stuhl von 1933. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte ein Prozess der Enttraditionalisierung und distanzierter Kirchlichkeit, die der Wiener Pastoraltheologe und Religionssoziologe Paul Michael Zulehner in zahlreichen seiner Publikationen beschreibt. Die Religion der Tradition wird im gesellschaftlich säkularen Umfeld zu einer Religion der Wahl, mit all seinen gesellschaftlichen Folgen vom Wertewandel bis hin zu diversen Kirchenaustrittswellen.

Johannes Kaup hat Paul Zulehner zu einem Gespräch über den Glauben in einer pluralistisch gewordenen Gesellschaft getroffen. Und er fragt nach, was der Religionssoziologe Paul Zulehner selbst glaubt und woran er zweifelt?

Gestaltung: Johannes Kaup

Logos 10.11.2018 zum Nachhören:

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