Der problematische Luther

Martin Luther war vieles: Gelehrter, Ehemann und Vater, Theologe. Er war wortgewaltig und nah bei den Menschen, er war unabhängig und zu Neuem bereit, aber auch in seiner Zeit und ihrem Denken gebunden. Manches, was an ihm nicht bewundernswert sondern problematisch war, wurde im vergangenen Jahr, dem 500. Reformationsjubiläum, auch thematisiert. Seine späte Judenfeindlichkeit, zum Beispiel.

Gedanken für den Tag 2.11.2018 zum Nachhören:

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Was mich an ihm fasziniert ist seine Konzentration auf das Wort Gottes, seine Leidenschaft für die Bibel und ihre Inhalte. Die Übersetzung ins Deutsche. Die Umsetzung der biblischen Botschaft und der alten Glaubenstexte in den Katechismen, die ebenfalls in deutscher Sprache verfasst und als Unterrichtsbücher für Erwachsene gedacht waren. Die Liedtexte und Melodien, die wir ihm zu verdanken haben und vieles mehr. Ich entdecke in ihm einen Menschen, der dem Wort Gottes Macht über alle Lebensbereiche gibt, der theologische Erkenntnisse auch gegenüber der Politik verteidigt und dadurch eine große Unabhängigkeit gewinnt.

Luise Müller
ist evangelische Theologin und ehemalige Superintendentin von Salzburg und Tirol

Kritische Grundhaltung statt Gehorsam

Die Welt ist 500 Jahre später an einem anderen Punkt. Und so ist es unerlässlich Luthers An- und Einsichten an unserer Realität immer wieder kritisch zu überprüfen. Vieles ist für mich zeitgebunden und nicht so einfach in die Gegenwart zu übertragen.

Aber eines gilt für mich auch heute. Eine in meinem Glauben begründete und immer wieder am Evangelium zu orientierende Gewissensfreiheit. Eine kritische Grundhaltung, die mich vom vorauslaufenden Gehorsam gegenüber Autoritäten befreit. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Diese neutestamentliche Aussage hat mir in Zweifelsfällen viel geholfen.

Musik:

Continuum: „Verleih uns Frieden gnädiglich“ von Martin Luther, arrangiert von Dirk Piezunka
Label: Berthold Records BTH4730027 / Harmonia Mundi