Bibelessay zu Römer 13, 1 – 7

Dieser Abschnitt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom ist allemal ein sperriger, ein zu Widerspruch herausfordernder Text. Die Frage, welche Haltung Christinnen und Christen zum Staat einnehmen sollen, ist in der zweitausendjährigen Geschichte lebhaft diskutiert und unterschiedlich beantwortet worden. Und diese unterschiedlichen Ansätze finden sich bereits im Neuen Testament.

Als Paulus in der Mitte der 50er Jahre von Korinth aus seinen Brief an die Gemeinde in Rom schrieb, um sich und seine Theologie dieser Gemeinde, die er nicht selbst gegründet hat, vorzustellen, haben ihn konkrete Gedanken geleitet. Paulus erwartete, dass Jesus Christus am baldigen Ende aller Zeiten wiederkommen würde und sah sich als „Bürger im Himmel“ (Phil 3,20). Von daher relativierte sich für ihn die Bedeutung staatlicher Strukturen. Ihm, der selbst das römische Bürgerrecht besaß, ging es nicht darum, an bestehenden staatlichen Strukturen zu rütteln, sondern sich in diese einzufügen, ähnlich wie der alttestamentliche Prophet Jeremia, der die ins babylonische Exil Deportierten zu Integration ermutigte – zum Wohl aller Beteiligten: „Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn denn, wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.“ (Jer 29,7).

Jutta Henner
ist evangelische Theologin, Bibelwissenschaftlerin und Leiterin der Bibelgesellschaft

Christen im staatlichen Gefüge

Das Zahlen von Steuern und Zollgebühren, der Respekt vor Beamten und Institutionen gehört daher für Paulus selbstverständlich zum christlichen Leben dazu, insbesondere für Christinnen und Christen in der Kaiserstadt Rom. Im Brief an die Römer spricht Paulus unmittelbar vor und nach diesen Ausführungen über die von Gott angeordnete „Obrigkeit“ über die Liebe als Wesensmerkmal christlichen Lebens. Solange diese Liebe durch staatliche Ordnung nicht eingeschränkt wird, mag diesem Staat christliche Loyalität - und Fürbitte -gelten.

Die Ausführungen des Paulus, die noch vor dem Beginn systematischer Christenverfolgungen seitens des Römischen Reiches entstanden, sind eine Stimme in der Vielstimmigkeit des Neuen Testaments hinsichtlich der möglichen Haltung der Christen zum staatlichen Gefüge, in dem sie leben.

In Liebe und Solidarität

Jesus selbst hatte beispielsweise darauf hingewiesen, dass zwar Steuern an den Staat zu zahlen seien, Gott allein jedoch Anbetung gebühre: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Mt 22,21). Das Markusevangelium bringt wieder eine andere Sicht der Obrigkeit ins Spiel, nämlich dass politische Machthaber ihre Untertanen zuweilen auch mittels Gewalt beherrschen (Mk 10,42f.). Die Offenbarung des Johannes wird sogar in späterer extremer Verfolgungssituation den römischen Staat als grausames Tier beschreiben (Offb 13).

Lebenskunst
Sonntag, 4.11.2018, 7.05 Uhr, Ö1

Sollte also der Staat nicht mehr den Rahmen für die friedliche Religionsausübung gewähren, ja, sogar Ansprüche erheben, die staatlicher Ordnung nicht zukommen, dann gilt für Christinnen und Christen, wie es die Apostelgeschichte formuliert, dass man „Gott mehr gehorchen muss als den Menschen.“ (Apg 5,29).

In Liebe und wachsamer Solidarität mögen Christinnen und Christen daher ihren Glauben und ihr Leben innerhalb staatlicher Ordnung gestalten, so gut dies möglich ist, im Wissen um die Vorläufigkeit aller staatlichen Macht auf Erden.