Das Adventgesicht der Christen

Ruhe, Vorfreude und Geduld sind Eigenschaften, die in der Vorweihnachtszeit eine ganz besondere Bedeutung haben.

Advent buchstäblich: V wie… Vortäuschen oder verschwenden? Wie wäre es mit V wie Vorfreude? Dazu ist mir schon vor Jahren folgende Geschichte zugefallen:

Margit Hauft
ist ehemalige Vorsitzende der katholischen Frauenbewegung

Erwartungsvolle Vorfreude

„Bitte warten Sie hier!“, sagte ich zu dem Blinden und ließ ihn an einer verkehrsgeschützten Ecke des Großstadtbahnhofs allein. Ich wollte ihm das Gewühl ersparen auf dem Weg zum Schalter, zur Auskunft und zur Post. Zurückkehrend sah ich ihn schon von weitem stehen, während die Menschen an ihm vorbeihetzten, ein Kind ihn anstarrte, ein Gepäckkarren einen Bogen um ihn fuhr und ein Zeitungsverkäufer nach einem vergeblichen Angebot wieder von ihm wegging.

Er stand ganz still, der Blinde, und auch ich musste ein paar Augenblicke stehenbleiben und sein Gesicht ansehen. Die Schritte um ihn her und die unbekannten Stimmen und all die Geräusche eines lebhaften Verkehrs, die schienen für ihn keine Bedeutung zu haben. Er wartete. Es war ein ganz geduldiges, vertrauendes und gesammeltes Warten. Es war kein Zweifel auf dem Gesicht, dass ich etwa nicht wiederkommen könnte. Es war ein wunderbarer Schein der Vorfreude darin, er würde bestimmt wieder bei der Hand genommen werden. Ich kam nur langsam los vom Anblick dieses eindrucksvoll wartenden Gesichtes, und dann wusste ich auf einmal: So erfüllt von Vorfreude müsste eigentlich das Adventgesicht der Christen aussehen!