Die Rettung der Menschheit

Zum 100. Geburtstag von Alexander Solschenizyn: Der russische Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn ist ein großer Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts und eine Schlüsselfigur, um die Sowjetunion und auch das heutige Russland zu verstehen.

Gedanken für den Tag 3.12.2018 zum Nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Solschenizyn wurde am 11. Dezember 1918 in der südrussischen Stadt Kislowodsk geboren. Im Zweiten Weltkrieg war er Batteriechef der Roten Armee. In Feldpostbriefen machte er abfällige Bemerkungen über Stalin, so wurde er im Februar 1945 verhaftet und in das berüchtigte KGB-Gefängnis in Moskau, die Lubjanka, gebracht und zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt.

Cornelius Hell
ist Literaturwissenschaftler und Übersetzer

Vom Häftling zum Dorfschullehrer

Da er Mathematik studiert hatte, kam er zunächst in ein Sonderlager für Wissenschaftler, danach wurde er in ein Lager in Kasachstan verlegt. Immer wieder starben Menschen in seiner Nähe durch Hunger und unerfüllbare Arbeitsnormen. Unter diesen Umständen begann eine Entwicklung, die den Atheisten und Kommunisten Solschenizyn zum orthodoxen Christentum führte.

1953 wurde Solschenizyn freigelassen, musste aber weiterhin als Verbannter in der Steppe Kasachstans leben. Schließlich fand er eine Anstellung als Dorfschullehrer. Bald darauf brach sein Magenkrebs, an dem er im Lager erkrankt war, erneut aus, und er wurde im Krankenhaus von Taschkent bestrahlt. Diese Erfahrungen haben Eingang gefunden in seinen weltberühmten Roman „Krebsstation“.

Literaturnobelpreis 1970

Immer mehr widmete sich Solschenizyn dem Schreiben. 1962 erschien seine Erzählung „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ – eine Sensation in der Sowjetunion. Doch schon ab 1964 wurden seine Werke nicht mehr veröffentlicht, und als ihm 1970 der Literaturnobelpreis verliehen wurde, konnte er ihn nicht persönlich entgegennehmen. 1974 wurde er ausgebürgert und lebte vor allem in den USA, bis er nach 20 Jahren nach Russland zurückkehren konnte.

„Die Rettung der Menschheit besteht gerade darin, dass alle alles angeht.“ Dieser Satz in Solschenizyns Nobelpreisrede ist die Grundlage seines Schreibens. Auf dieser Basis hat er seine eigenen Erfahrungen literarisch verarbeitet und in seinem dreibändigen Werk „Archipel Gulag“ die Schicksale vieler Lagerinsassen dokumentiert. „Dass alle alles angeht“ – in dieser Maxime liegt Solschenizyns Aktualität.

Buchhinweis:

Cornelius Hell, „Ohne Lesen wäre das Leben ein Irrtum“, Verlag Sonderzahl, März 2019

Musik:

Rene Forest/Violoncello und RIAS Sinfonietta unter der Leitung von Jiri Starek: "Nocturne in d-moll op. 19 Nr. 4 für Violoncello und Streicher von Peter Iljitsch Tschaikowsky
Label: Koch 316112