Bibelessay zu Zef 3, 14 – 18

Tochter Zion, freue Dich! Dieses bekannte Weihnachtslied war eines meiner Lieblingslieder, als ich ein Kind war.

Ich wusste nicht, dass dieser Text von einem Propheten Zefanja um 630 vor Christus verfasst worden war, als das assyrische Reich dem Untergang nahe war. Aber ich spürte die Freude in diesem Lied so stark, dass ich es laut schmetternd mitsang und meine Mutter besorgt fragte, ob denn etwas passiert sei. Ja, es ist ein „Freu Dich –Tag“, soll ich einmal gesagt haben.

Regina Polak
ist katholische Theologin und Religionssoziologin

Befreit aus Not und Leid

Freilich: Ich verstand überhaupt nicht, worum es da ging. Ich wusste nicht, wer denn diese geheimnisvolle Tochter Zion war. Aber irgendwie fühlte ich mich gemeint. Ich war ja auch eine Tochter. Und dass da ein König zu mir kommt, fand ich durchaus angemessen, schließlich bedeutet mein Name Regina „Königin“. Also durchaus Grund zur Freude!

Heute bin ich Theologin und kann diesen Text einordnen in die Geschichte jenes Gottes, der sein Volk Israel immer wieder befreit und gerettet hat aus Not und Leid, aus Sünde und Tod. Die Freude, mit der sich diese Befreiung aus innerer und äußerer Belagerung verbindet, hatte ich aber offenbar intuitiv damals schon verstanden.

Freude ist etwas, das einen erhebt

Sie hat etwas Erhabenes, Festliches an sich. Sie hebt einen aus dem Alltag, in eine andere Sphäre. Sie lässt die Wirklichkeit in anderem Licht sehen. Diese antiquierten Worte haben mich in eine andere Welt erhoben. Alles wurde gleichsam vergoldet, durch Text und Musik, wie im Advent und dann zu Weihnachten.

Lebenskunst
Sonntag, 16.12.2018, 7.05 Uhr, Ö1

Freude befreit. Das hebräische Wort für befreien bedeutet, jemanden aus der Sklaverei, der Knechtschaft aus-lösen, befreien, eben er-lösen. So sind die Erlösten immer auch Ausgelassene: Freude macht ausgelassen.

Freude verbindet mit allem, was ist: mit den Menschen rundherum, mit der Umgebung, mit der Welt, mit Gott, also, wenn man so will, mit dem transzendenten Gegenüber, mit dem großen Du. Da ist kein Bruch, keine Störung, keine Sünde zwischen mir und den anderen, zwischen mir und Gott.

Freudensonntag

Was ich als Kind gespürt habe, nenne ich heute theologisch „Herrschaftswechsel“: In der Freude, die erhebt, befreit und verbindet, herrschen nicht mehr die Mächte und Gewalten dieser Welt über mich, sondern ist gleichsam Gott in meine Seele eingezogen – als König. So haben dies auch die christlichen Mystiker beschrieben. Davon redet auch Papst Franziskus unentwegt, wenn er von der Freude spricht, die ihm so wichtig ist. Sie ist Zeichen der Ausgelassenen, der Befreiten, der Erlösten. Freude ist Ausdruck von Herrschaftswechsel.

Natürlich kenne ich wie jeder andere auch die Erfahrung der Freudlosigkeit. Freude kann man nicht verordnen, auch nicht am Freudensonntag, den die Kirche heute, am 3. Adventsonntag, feiert. Freude setzt Befreiung voraus. Deshalb ist der Freudensonntag eine gute Gelegenheit zur Selbstüberprüfung: Wer oder was darf in meiner Seele Wohnung nehmen? Wem gestatte ich, sie zu beherrschen? Wer ist mein König? Und lässt mich dies Freude erfahren?