Bibelessay zu Lukas 2, 41 – 52

Die Tage rund um Weihnachten und Silvester sind für viele Menschen familien-intensive Zeiten, für viele schön und zugleich auch anstrengend. Und genau zu dieser Zeit feiert die katholische Kirche das „Fest der Heiligen Familie“. Irgendwie optimistisch, denke ich mir.

Gut ist, gleich vorweg daran zu erinnern, dass das Wort „heilig“, aus dem Hebräischen kommend „getrennt sein, anders sein, besonders sein“ bedeutet. Vorbilder in ihrem Glauben und ihrem Leben werden als „Heilige“, als „besondere Menschen“ bezeichnet. Wenn „heilig“ – „besonders sein“ heißt, dann kann man das Fest auch „Fest der Heiligen Familie“ nennen, denn das stimmt, finde ich: Jede Familie ist besonders, jede Familie ist anders – und das ist gut so.

Helga Kohler-Spiegel
ist Professorin an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg im FB Human- und Bildungswissenschaften, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und (Lehr-)Supervisorin, Feldkirch

Wallfahrt nach Jerusalem

Bei dieser Familie im Lukasevangelium haben wir Jesus, der in der Mitte der Szene steht, die Eltern Jesu und die Lehrer. Jesus wächst heran, intelligent und klug und voll Weisheit gegenüber anderen, und grenzt sich zugleich selbstverständlich gegenüber seinen Eltern ab.

Ein jüdischer Bub, ein jüdisches Mädchen, feiert mit 12 bis 13 Jahren seine „Bar Mitzwa“ oder „Bat Mitzwa“, damit ist ein junger Mensch religiös für sich selbst verantwortlich. Der 12-jährige Jesus macht gleich ernst mit diesem „Ich bin für mich selbst verantwortlich.“ – nach außen im Tempel und nach innen gegenüber seiner Familie. Der junge Jesus benimmt sich wie ein Gelehrter, die anderen Lehrer im Tempel hören ihm zu und diskutieren mit ihm. Noch zollen sie ihm Respekt und staunen. Der Jugendliche ist mit seinen Gedanken interessant, den erwachsenen Jesus wird man bekämpfen und nach Gründen suchen, ihn zu töten.

Lebenskunst
Sonntag, 30.1.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Wie für gläubige Juden damals üblich, nutzen auch die Eltern Jesu das Pessachfest für eine Wallfahrt nach Jerusalem. Die Namen der Eltern werden nicht genannt. Sie lassen Jesus Freiräume, er ist nicht ständig beaufsichtigt, er kennt ja die Wallfahrt, Jahr für Jahr. Dass er offensichtlich ohne Rücksprache in Jerusalem geblieben ist, wissen die Eltern, die in einer großen Gruppe von Pilgern unterwegs sind, nicht, sie merken erst am Ende des Tages, dass er fehlt. Erschrecken und Sorge und Angst der Eltern sind verständlich, sie suchen ihn überall, sie gehen wieder eine ganze Tagesstrecke nach Jerusalem zurück, dort suchen sie ihn nochmals drei lange Tage und Nächte, bis sie ihn finden. Drei Tage – das ist lang, wenn man ein Kind sucht.

Drei Tage

„Drei Tage“ erinnert an die Auferstehung, das waren vermutlich auch lange Tage zwischen Verzweiflung und Angst und „Auferstehung“. Aber davon weiß ja zu diesem Zeitpunkt in der Erzählung des Lukasevangeliums noch niemand. Hier suchen Eltern ihr Kind. Und dann die Reaktion der Mutter: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.“ Die Eltern Jesu werden noch manches Mal Angst um ihren Sohn haben.

Neben dieser Szene, die für Eltern mit pubertierenden Kindern so verständlich ist, steht das Motiv des „Suchens“ im Vordergrund. Die Frage Jesu „Was sucht ihr mich? Warum habt ihr mich gesucht?“ findet sich auch beim Grab Jesu, als die zwei Männer beim Grab Jesu fragen: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk 24,5). Am Beginn und am Ende des Weges Jesu will diese Frage aufrütteln und helfen, dem eigenen Leben Orientierung zu geben. Christlich gesprochen weist Jesus auf Gott hin, Jesus zeigt mit seiner Botschaft, wie Gott zu den Menschen ist. Und dafür ist es wert, mehrere Tage zu suchen.