Bibelessay zu Matthäus 2, 1 – 12

Anders als im Lukasevangelium wird dieser Bericht über die Geburt Jesu nicht von menschlichen Wesen oder Engeln dominiert sondern von einem Stern und den dazugehörigen Sterndeutern oder Magiern.

Sterne hatten im alten Orient eine wichtige Funktion. Sie gaben Auskunft über bevorstehende Ereignisse, und sie boten den Menschen Orientierung. Sterndeuter, sofern sie keine Scharlatane waren, genossen deshalb auch hohes Ansehen. Die eigentliche Geburtsgeschichte wird in wenigen Sätzen erzählt. Maria bringt in ihrem Haus, nicht in einem Stall, ein Kind zur Welt. Die Sterndeuter kommen ins Haus, werfen sich vor dem Kind nieder und öffnen als Zeichen der Ehrerbietung ihre Schatztruhen.

Thomas Hennefeld
ist Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich

Von Trostlosigkeit befreit

Der Akzent der Erzählung bei Matthäus liegt aber gar nicht so sehr auf der Geburtsgeschichte sondern auf dem scharfen Gegensatz zwischen der religiösen Elite in Jerusalem und dem König Herodes auf der einen Seite und den Magiern und dem Jesuskind auf der anderen Seite. Und der Evangelist knüpft an heilsgeschichtliche Ereignisse aus der Geschichte Israels an. Für Matthäus erfüllen sich mit der Geburt Jesu die alttestamentlichen Verheißungen. Wenn die Magier erklären, sie hätten den Stern des neugeborenen Königs der Juden im Morgenland gesehen, so bezieht sich diese Aussage auf eine Stelle des alttestamentlichen Propheten Bileam aus dem 4. Buch Mose im 24. Kapitel, wo es heißt: „Ich sehe ihn, doch nicht jetzt, schaue ihn, doch nicht nahe. Ein Stern tritt hervor aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel.“

Und im Jesajabuch wird die Herrlichkeit des Herrn in Verbindung gebracht mit den Geschenken, die die Magier mitbringen. Gold und Weihrauch. Und vielleicht hat der Evangelist auch den 72. Psalm vor Augen gehabt, in dem es heißt: „Vor ihm sollen sich niederwerfen alle Könige, alle Nationen sollen ihm dienen. Denn er rettet den Armen, der um Hilfe schreit, den Elenden, dem keiner hilft.“ Die Bibel ist voll von solchen Verheißungen. Und immer stehen dahinter der Glaube und die Sehnsucht, aus Bedrückung und Trostlosigkeit befreit zu werden.

Falsche Hirten und Raubwölfe

In der Anweisung an die Magier aus dem Morgenland, nach dem neuen König zu forschen, wirft der Kindermord von Bethlehem seine Schatten voraus. Aus lauer Angst vor einem Rivalen, schreckt Herodes vor keiner Grausamkeit zurück. Der Kindermord und die Flucht von Josef und Maria mit dem Jesuskind erinnern an die Ermordung der hebräischen Erstgeborenen in Ägypten bei gleichzeitiger Errettung Mose, der als Befreier des Volkes Israels von Gott auserkoren wurde. Dieser Gott, der für Christinnen und Christen in Jesus Mensch geworden ist, ist ein Gott der Liebe, der Gerechtigkeit und Menschenfreundlichkeit. Menschen zu allen Zeiten haben diesen menschenfreundlichen Gott verkündigt, so auch der Zürcher Reformator Ulrich Zwingli.

Lebenskunst
Sonntag, 6.1.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Die entscheidende Frage für Zwingli war: Was ist es, was den Menschen Ruhe verschafft? Und was ist das vertrauenswürdige Fundament ihres Lebens? Fragen, die die Menschen auch heute etwas angehen. Seine Antwort lautete: Jesus Christus, der Christus, der in Armseligkeit und Schutzlosigkeit geboren wurde. Für Zwingli betrifft das nicht nur den einzelnen, er hatte immer auch sein ihm anvertrautes Volk und die Situation der Menschen im Blick und damit auch Phänomene wie Egoismus, Heuchelei und Ungerechtigkeit. Mit der religiösen Elite seiner Zeit geht er hart ins Gericht. Er nennt diejenigen, die die Armen nicht achten sondern sie bedrücken, falsche Hirten und Raubwölfe.

Licht und Heil für alle Völker

Heuer ist es 500 Jahre her, dass der Priester Ulrich Zwingli nach Zürich berufen wurde und zu predigen begann. Er brachte damit die Zürcher Reformation ins Rollen. Die reformierte Kirche in Österreich ist von Zwingli stark geprägt. So begehen wir 2019 ein Zwingli-Jahr. Zur Zeit Jesu, in der Zeit der Reformation und auch heute leben die Menschen in einer Welt, die dominiert ist von Macht-und Habgier, Heuchelei und Skrupellosigkeit. Und um eigene Interessen durchzusetzen, sind so manche Machthaber, egal ob demokratisch gewählt oder ob sie sich an die Macht geputscht haben, bereit, über Leichen zu gehen.

Diese Welt wäre zum Verzweifeln, gebe es nicht die Stimmen, die die uralten Friedensverheißungen aufgreifen, und gebe es nicht die Menschen, die einem Stern folgen, der ihnen nicht Macht und Reichtum verheißt und auch keinen Heilsbesitz oder einen Platz im Himmel aber dafür Licht und Heil für alle Völker und für die ganze bewohnte Erde.