Religionen: Deutung des Weltganzen
Gedanken für den Tag 14.1.2019 zum Nachhören:
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Viele Definitionen und Umschreibungen gibt es – aber keine allgemein anerkannte. Haben alle Menschen „Religion“, von den Anfängen der Menschheit bis in die fernste Zukunft? Wenn alles sich ändert, ändert sich dann auch die Religion? Beim römischen Dichter Lukrez – übrigens einem Materialisten – lesen wir die folgende Erkenntnis: „Was sich ändert, endet auch“. Gilt das auch für die Religion?
Franz Josef Weißenböck
ist katholischer Theologe und Autor
Alte und neue Deutungen
Religionen sind Deute-Systeme. Es geht ihnen nicht um das einzelne, sondern um das Ganze, um das Woher, das Wohin und das Wozu von allem. Religionen sind Versuche, dem Ganzen einen Sinn zu geben – und zu diesem Ganzen gehört der Tod. Bei André Malraux lese ich den Satz: „Nur Religionen wissen, wie man mit dem Tod umgeht; dazu wurden sie zweifellos erfunden“.
Am anderen Ende der Skala steht die moderne Naturwissenschaft. Sie beschäftigt sich nicht mit dem Ganzen, sondern mit dem Einzelnen. Sie strebt nicht nach Deutung, sondern nach Wissen und Verstehen. Dabei werden die Ausschnitte, die beobachtet, vermessen, gewogen und quantifiziert werden, immer schmäler. Es gibt ein Spottwort über diese Art von Experten: Sie wissen immer mehr über immer weniger, bis sie am Ende alles über nichts wissen.
Die Religionen haben ihre frühere Deutungshoheit heute weitgehend verloren, zumindest in unserer westlichen Kultur. Die christliche Weltdeutung, die früher unseren Kontinent beherrschte und ihn bis heute prägt, hat ihre Kraft verloren. Ob die alten Deutungen wieder an Kraft gewinnen oder ob neue Deutungen Gefolgschaft finden und ob diese zum Gedeihen der Welt beitragen, steht nicht einmal in den Sternen.
Musik:
Ensemble Céladon unter der Leitung von Paulin Bündgen: „No Time in Eternity – création“ von Michael Nyman
Label: aeon/outhere AECD 1757