Im Krankenhaus sind alle Menschen gleich

Wenn man in ein Krankenhaus kommt, fällt eines gleich auf: Alle schauen hier gleich aus, alle tragen dasselbe Nachthemd.

Gedanken für den Tag 5.2.2019 zum Nachhören:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Auf der Frauenabteilung liegt die Managerin neben der Lehrerin und der Kellnerin – im selben Nachthemd. Auf der Männerabteilung plaudert der Elektriker mit dem Verwaltungsdirektor – beide im selben getupften Hemd. Noch etwas vereint: Niemand ist freiwillig hier. Plötzlich liegt man im Krankenhaus: ein Sturz, ein gerissenes Band, eine Routine-Operation… Und plötzlich ist man in einer anderen Welt – mit anderen Gesetzen: Waschungen, Visiten, Infusionen und Mahlzeiten, alles im Takt, alles zu seiner Zeit.

Susanne Kummer
ist Bioethikerin

Im Krankenbett probeliegen

Kranke Menschen reagieren anders. Eine Patientin füllte das Formular aus für das neue Medikament, das sie brauchte. Da gab es die Rubrik „Hilfsmittel“. Sie schrieb hinein: „Mein Mann“. Der Arzt darauf: „Das können Sie nicht hinschreiben.“ Doch die Patientin bestand darauf: „Das ist aber so! Das ist etwas ganz Wichtiges. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte keinen Partner, dann wären viele Dinge für mich nur ganz schwierig machbar.“

Es bleibt eine Asymmetrie zwischen Patienten und Ärzten und Pflegenden. Und diese kann nur durch Menschlichkeit, Respekt und Empathie überwunden werden.

Ein Palliativarzt aus München erklärte mir, dass er in seinen Seminaren keine Schauspiel-Patienten duldet, sondern dass er seine Studierenden selbst im Krankenbett probeliegen lässt. Sie selbst sollten die Patienten spielen. Sie sollten spüren, wie das ist, wenn man liegt, und ein Arzt oder eine Ärztin von oben herab mit einem redet. Es kann richtig unangenehm sein.

Und den Studierenden, die die Rolle des Arztes übernehmen, gibt er den Ratschlag, sich an die Bettkante zu setzen, sozusagen „herunterzukommen“. Und sie sollten sich den Patienten in Straßenkleidung vorstellen, mit Anzug und Krawatte oder im Business-Kostüm. Das verändert etwas. Denn hinter den Patienten, die hier alle im selben Spitalsnachthemd liegen, stehen große Biografien, Geschichten, Wünsche, Träume und Beziehungen. Bevor der Patient noch ein Kranker ist, ist er vor allem eines: Mensch.

Musik:

Murray Perahia/Klavier und English Chamber Orchestra unter der Leitung von Murray Perahia: „Allegro - 1. Satz“ aus: Konzert für Klavier und Streicher in G-Dur KV 107 Nr. 2 von Johann Sebastian Bach, bearbeitet von Wolfgang Amadeus Mozart
Label: CBS 39222