Alles beginnt mit der Sehnsucht

Vielleicht kennen Sie auch solche Menschen: Sie haben in ihrem Leben schlimmste Dinge erlebt – und schaffen es doch, anderen etwas Positives zu vermitteln.

Morgengedanken 7.3.2019 zum Nachhören (bis 6.3.2020):

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Mit diesen Worten beginnt die jüdische Dichterin Nelly Sachs (1891 – 1970) eines ihrer vielen Gedichte. Ich wollte für diese Reihe unbedingt eine Zeitzeugin der Schrecken des Zweiten Weltkrieges in den Mittelpunkt der Morgengedanken stellen.

Barbara Haas
ist Leiterin des Bildungshauses St. Michael in Innsbruck

Betroffene der Judenverfolgung

Nelly Sachs ist eine große Lyrikerin. Für ihr Werk erhielt sie als erste Frau den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und ein Jahr später zusammen mit einem anderen Dichter den Literaturnobelpreis. Der Blick auf die Lebensdaten der Dichterin zeigt, sie ist Betroffene der Judenverfolgung. Der Zweite Weltkrieg zwingt sie zur Flucht nach Schweden. Sie verliert ihre Heimat, die Sicherheit einer bürgerlichen Existenz. Vertrieben, von Armut bedroht, versucht sie ihre Mutter und sich durchzubringen. Ihre Lebensmenschen finden den Tod in Konzentrationslagern. Nelly Sachs wird die Angst ihr ganzes Leben nie mehr verlieren und sie drückt das mit einem einzigen Satz aus. „Ich verspüre in mir den höchsten Wunsch auf Erden: Sterben ohne gemordet zu werden.“

Nelly Sachs steht für mich für die Frauen der Weltgeschichte, die Krieg, Tod, Elend, Verfolgung und Flucht erleben und aushalten mussten. Frauen, deren Lebensweg von Beginn an schwer war. Trotz alledem gelingt es Frauen wie Nelly Sachs Gedichte zu schreiben, die mit: „Alles beginnt mit der Sehnsucht, immer ist im Herzen Raum für mehr, für Schöneres und Größeres...“ beginnen.