Bibelessay zu Lukas 4, 1 – 13

Ich bin beeindruckt, wie Jesus in diesem Text den Versuchungen des Teufels widersteht. Es geht dabei um zeitlos gültige Themen wie Macht und Überheblichkeit.

Da gibt es z.B. den schmalen Grat zwischen einem gesunden Selbstbewusstsein und einer gefährlichen Selbsteinschätzung. Es ist ein Unterschied, ob ich mir in der Früh Mut zuspreche und sage, dass ich eine schwierige Situation meistern werde oder dem Vorsatz, die anderen meine Überlegenheit spüren zu lassen. Es ist ein Unterschied, ob ich nach einer Niederlage aufstehe und sage, morgen werde ich euch beweisen, dass ich es schaffen kann oder mit allen fiesen und miesen Tricks arbeite, um meine Position gegenüber anderen zu stärken und dadurch meine Macht zu festigen.

Gerhard Langer
ist Theologe und Judaist

Es ist nicht leicht, das Richtige zu tun

Überhaupt ist es das Stichwort Macht, das im Mittelpunkt steht. Nichts fasziniert so sehr wie Macht. Reichtum, Ruhm, Sex, nichts ist vergleichbar mit der gewaltigen Versuchung der Macht, die wie ein gefräßiger Bandwurm niemals satt wird und immer weiter und immer mehr will. Im Evangelium kann der Teufel Macht und Herrlichkeit und die Herrschaft in der Welt für sich beanspruchen. Dies ist ein mehr als nüchterner Blick auf die Realität, auf die Ränke der Politik, auf die komplexen und rücksichtslosen Vormachtspiele in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Mechanismen, nach denen diese Welt allzu oft funktioniert, tragen in sich eine bedrohliche Energie.

Dies bedeutet ganz und gar nicht, dass Macht an sich schlecht oder ein Bewusstsein für die eigenen Stärken, Ehrgeiz, Karrierestreben grundlegend etwas Böses wären. Die Antworten, die Jesus im Evangelium dem Teufel gibt, im Übrigen handelt es sich ausschließlich um Bibelzitate, zeigen ganz eindeutig, worum es geht, nämlich, in religiöser Sprache ausgedrückt, um die alleinige Herrschaft Gottes. In nichtreligiöser Sprache ausgedrückt bedeutet dies wohl nichts weniger als sich darüber klar zu werden, dass jede Handlung, die ich setze, jedes Wort, das ich spreche, jede Entscheidung, die ich treffe, etwas darüber aussagen, ob ich selbstsüchtig, gierig, machtbesessen, auf meinen Vorteil bedacht, oder nachhaltig, überlegt, im Blick auf meine Mitmenschen agiere.

Es ist nicht immer leicht, das Richtige zu tun, die passende Entscheidung zu treffen, die längerfristig stimmige Lösung zu treffen. Vielleicht ist hier auch der letzte Satz im gerade gehörten Evangelium von Interesse: Der Teufel ließ für eine bestimmte Zeit von Jesus ab. Das bedeutet übersetzt, auch wenn wir uns heute für das Richtige entscheiden, wenn wir der Versuchung der Machtgier widerstehen, so impft uns diese Entscheidung nicht für künftige Versuchungen. Oder anders formuliert. Wir sind tagtäglich aufs Neue gefordert, als Menschen durch die Welt zu gehen, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind.