Romantische Liebe – was dann?

Heute, am 10. März vor fast 250 Jahren, wurde Friedrich Schlegel geboren, ein Philosoph und Dichter der Romantik.

Zwischenruf 10.3.2019 zum Nachhören (bis 9.3.2020):

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Er schrieb einen Liebesroman. Sie heißt Lucinde, er Julius. Nach mancherlei Affären, die er Lehrjahre der Männlichkeit nennt, findet Julius endlich seine Lucinde, vergöttert sie, betet sie an und erhofft sich von ihr die Erlösung von seinem unsteten Leben: „In Dir habe ich alles gefunden und mehr, als ich zu wünschen vermöchte; aber Du bist auch nicht wie die anderen.“ Welche Frau könnte da widerstehen?

Susanne Heine
lehr am Institut für Praktische Theologie und Religionspsychologie an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Wien

Der Alltag spielt sich ein

Damals wusste freilich jeder, dass hinter Julius Friedrich Schlegel stand, und hinter Lucinde Dorothea Veit, die Tochter des jüdischen Aufklärungs-Philosophen Moses Mendelssohn, verheiratet mit dem Bankier Simon Veit und Mutter zweier Söhne. Dorothea ließ sich scheiden, und die beiden lebten eine freie romantische Liebe als „heiligen Genuss“, die der bürgerlich-rechtlichen Ehe spottete – ein Skandal, der sich fortsetzte. Zwar haben die beiden dann geheiratet, aber der evangelische Friedrich und die jüdische Dorothea traten bald darauf zum Katholizismus über, und Dorothea musste sich taufen lassen. Alles sehr aufregend.

Langsam machte sich freilich der recht konventionelle Alltag bemerkbar. Friedrich war gewohnt, seine literarischen Arbeiten Dorothea zu diktieren, die sie dann zum Verschicken an Freunde vielfach abschrieb. Der Schlegelsche Haushalt litt unter chronischem Geldmangel, und die höchst gebildete Dorothea sorgte durch Übersetzungsarbeiten für die nötigen Einnahmen. In einem Brief an seinen Bruder August Wilhelm, der sich als Shakespeare-Übersetzer einen Namen gemacht hat, schreibt Friedrich, dass Dorothea zu Bett liege, so dass sich die Ordnung umgekehrt habe: „Dorothea könnte nun mir diktieren”, klagt er. Dies dauerte aber nicht lange, und der Alltag spielte sich wieder ein.

Innere Verbundenheit nach dem Liebesrausch

Eine romantische Liebe ist stürmisch und hinreißend, und alle Beziehungen beginnen heute in der Regel auf diese Weise. Alle Lust und Liebe will Ewigkeit, hatte schon der Philosoph Friedrich Nietzsche bemerkt. Aber die Ewigkeit gibt es hier nicht, sondern im Gegenteil: Kleinigkeiten fangen zu nerven an, und es beginnt das „immer“ und „nie“. Warum schraubst du nie die Zahnpastatube zu? Warum lässt du immer deine Socken herumliegen? Aus dem anbetenden „Du bist nicht wie die anderen“ kann dann bald die Suche nach einem oder einer anderen werden, um den Liebesrausch zu wiederholen.

Friedrich Schlegel wurde von seinem unsteten Leben nicht erlöst. Der Aufstieg Napoleons ließ ihn von einem „wahren“ deutschen Kaisertum träumen nach dem Vorbild der habsburgischen Donaumonarchie. Er ging nach Wien und trat als Journalist in den Dienst des österreichischen Außenministers Metternich, der ihn aber bald als politisch untauglich „auf Eis“ legte. Der Priester Clemens Maria Hofbauer, später Stadtpatron von Wien, wurde ein enger Freund. Seinen Liebesroman „Lucinde“ verwarf er rückblickend als „töricht“. Ob Friedrich und Dorothea glücklich geworden sind, wissen wir nicht.

Wir wissen aber aus gut informierten psychologischen Kreisen, dass sich auch aus einem romantischen Liebesrausch eine innige innere Verbundenheit entwickeln kann für ein lebensfrohes und zuverlässiges Miteinander. Dazu sollten freilich beide einander realistisch betrachten und vom Thron der Anbetung herunterholen, ihre Schwächen einander nicht vorwerfen und ihre Stärken vereinen. Vielleicht ist es deshalb mit Martin Luther und seiner Frau Käthe von Bora gut gegangen. Sie kannten ihre problematischen Eigenschaften, und es hat auch Krach zwischen ihnen gegeben. Das hat sie aber nicht entzweit, denn sie haben Anbetung und Erlösung für Gott reserviert. Martins späte Liebeserklärung: „Ich hab meine Käthe lieb, ja ich hab sie lieber als mich selber.“