Hybris und Narzissmus

Hybris und Narzissmus eines Staates scheinen sich immer wieder von neuem in zwei Symptomen zu äußern: Dem Versuch, die eurasischen Steppen nördlich des Schwarzen Meers zu erobern. Und dem Wunsch, das jüdische Volk zu vernichten.

Gedanken für den Tag 16.3.2019 zum Nachhören (bis 15.3.2020):

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Nazideutschland, Napoleon, die Römer und das Persische Großreich scheiterten an beidem. Das Buch Ester gibt zwei erstaunlich moderne Erklärungen, weshalb Purim-Schurke Haman das jüdische Volk vernichten wollte: Kränkung und Habgier. Bei Hamans Amtseinführung als oberster Regierungsbeamter weigerte sich Mordechai, das Knie zu beugen oder sich niederzuwerfen. Weil ihm sein Glaube die Geste untersagte.

David Weiss
ist Schriftsteller

Gewissen und Moral

Das antike Persien war ein Vielvölkerstaat. Um dem König die Erlaubnis zur Auslöschung eines seiner Völker zu entlocken, versprach Haman, alles beschlagnahmte Vermögen in die royalen Schatzkammern fließen zu lassen. Was Haman nicht wusste, Königin Ester war Jüdin und Mordechais Mündel. Esters Glauben übertraf ihren Gehorsam gegenüber ihrem Mann und König. Kraft dieser Überzeugung riskierte sie ihr Leben und rettete ihr Volk. Haman wurde gehenkt.

Und noch eines haben totalitäre Regime gemeinsam: Sie dulden keine Wertvorstellungen über der eigenen Staatsdoktrin. Ich erinnere mich noch gut, in den 1980igern und -90igern herrschte Einigkeit: Kein Gesetz, kein Befehl durfte über dem Gewissen stehen. Besonders im Hinblick auf die Generation der Großväter. Und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, auf die Mauerschützen. Bis heute hat sich viel geändert. Sich öffentlich zu äußern, kann die Jobaussichten beeinträchtigen. Der Verweis auf Gewissen und Moral ist unpopulär geworden. Und die strikte Einhaltung religiöser Gebote und Verbote kann unter besonders gefährlichen Umständen zur Bedrohung für die Demokratie werden. Die Lage ist vertrackt. Mordechai oder Haman, wem wollen wir vertrauen?

Musik:

The Haifa Folk and Dance Orchestra: „Chiribim"
Label: Koch 322887