Bibelessay zu Exodus 3,1 - 8a.13 – 15

Die Erzählung von Mose und dem brennenden Dornbusch ist einer meiner Lieblingstexte in der Bibel. Drei Aspekte gefallen mir daran besonders:

Erstens: Gleich zu Beginn heißt es, dass Mose eines Tages etwas anders macht als sonst. Er treibt sein Vieh über die Steppe hinaus, über die Gegend hinaus, wo er sich normalerweise aufhält. Und über die Gegend hinaus, wo es Nahrung für sein Vieh gibt. Mose wagt neue Wege zu gehen. Er überwindet seine üblichen Grenzen, und er geht, alleine - in die Wüste. Nur deshalb kommt er zum Gottesberg. Den ersten Schritt zur Begegnung mit Gott muss Mose also selbst setzen.

Elisabeth Birnbaum
ist Theologin, Bibelwissenschaftlerin und Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks

„Ich bin, der ich bin“

Ein zweites: Die Begegnung mit Gott beginnt dort, wo das Staunen beginnt. Der Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt, ist noch nicht die Gottesbegegnung selbst. Gott spricht Mose erst an, als Mose von sich aus näher kommt. Und näher kommt Mose, weil er zu staunen beginnt. Wer aufhört, alles als selbstverständlich anzusehen und zu staunen anfängt, der wird auch leichter ansprechbar für Gott. Erst als Mose staunt, begegnet er Gott.

Ein drittes: Gott ist seinem Volk nah. Er sieht und hört das Leid seines Volkes und möchte es aus der Unterdrückung durch die Ägypter befreien. Aber er tut das nicht allein, sondern mit einem Menschen, der es wagt, ausgetretene Pfade zu verlassen und der noch staunen und hören kann. Er wählt sich Mose, vielleicht gerade deshalb, weil Mose ihm nahekommen will. Zu ihm spricht Gott, und mehr noch: Er stellt sich ihm vor, er verrät, wie er heißt. Dabei geht es nicht einfach um einen Namen, sondern um eine Wesensbeschreibung. Namen bedeuten etwas. Das Schöne an der Stelle ist, dass Gott seinen Namen nicht nur nennt, sondern auch gleich übersetzt. Wenn Mose fragt, was soll ich sagen, wenn mich die Leute fragen, wie dieser Gott heißt?, sagt Gott: „Ich bin, der ich bin“. Der Gottesname hat also etwas mit dem Sein Gottes zu tun. Das hat viele Facetten und kann daher auch unterschiedlich verstanden werden.

Andere Aspekte von Gott

Zum Beispiel: Ich bin, der ich immer schon gewesen bin und der ich bleibe: Damit ist er ein zuverlässiger Gott, einer, der sich nicht willkürlich einmal so und einmal so verhält.

Lebenskunst
Sonntag, 24.3.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Oder: Ich werde der sein, der ich sein werde: Gott ist ein unverfügbarer Gott, - ich kann ihn nicht manipulieren, nicht erpressen, nicht bestechen, nicht zu meinen Zwecken missbrauchen. Er ist kein Strafautomat, aber auch keine Wunscherfüllungsmaschine.

Und für mich meint es auch: Ich bin der, der da ist: Gott ist ein naher, ein persönlicher Gott. Er ist da, wenn ich ihn brauche, und er ist da, wenn ich gar nicht an ihn denke. Er ist da, wenn ich stolz auf mich bin, und er ist da, wenn ich mich über mich ärgere. Er ist da, wenn ich mich ihm nahe fühle, und er ist da, wenn ich ihn verzweifelt suche.

Das Schöne an dem Text ist: Jedes Mal, wenn ich ihn lese, komme ich auf noch mehr und andere Aspekte von Gott. Und jedes Mal verbinde ich diese Aspekte mit einer Erfahrung in meinem Leben. Die wichtigste Entdeckung für mich ist gerade diese Unabschließbarkeit, diese Vielschichtigkeit Gottes. Vielschichtig und trotzdem nahe. Wenn ich den ersten Schritt tue und nicht das Staunen verlerne.