Bibelessay zu Lukas 19, 28 – 40

Mit dem heutigen Palmsonntag beginnt die Karwoche, die Heilige Woche. Keine andere Zeit im ganzen Kirchenjahr ist so dicht, so spannungsgeladen, voller Symbolik und bewegend wie diese Tage.

Es ist meine tiefste Überzeugung: Ohne Ostern wäre Christsein nicht möglich und der Glaube wäre eine frömmelnde Ideologie oder ein philosophisches Gehirngespinst. Ostern aber ist kein Passionsspiel durch das theatralisch die einzelnen historischen Ereignisse am Ende des Wirkens Jesu nachgespielt werden. Ostern ereignet sich für mich wirklich, ist wahr, ist heute und konkret. Die Bühne ist das Leben, die Akteure sind alle, die Gott suchen, mit ihm ringen und an ihn glauben.

Pater Karl Schauer
ist Bischofsvikar für Wallfahrtswesen, Tourismusseelsorge und Berufungspastoral in der katholischen Diözese Eisenstadt

Demütiger Sieg Gottes

Schon der Palmsonntag bringt diese ganze Spannbreite, die Zerrissenheit, die Zweifel und die Hoffnungen meines Lebens zum Ausdruck. Das Evangelium vom Einzug in Jerusalem mit der Begeisterung für diesen Jesus steht irgendwie im Widerspruch zum Evangelium vom Kreuz, zur Leidensgeschichte - auch an diesem Tag in der Liturgie verlesen. Aber so ist mein Leben, so ist auch meine Beziehung zu Gott, so ist die Wirklichkeit dieser Welt, hin- und hergerissen, fragwürdig, oft vom Mainstream der Mehrheit getrieben.

Die Bibel macht deutlich: Nicht der Triumph, nicht die königliche Macht, nicht der Jubel bringt den Menschen Erlösung, sondern der demütige Sieg Gottes am Kreuz und in der Auferstehung über alles, was längst schon totgesagt war.

Ostern geschieht immer

Als Pilger im Heiligen Land bin ich diesen Weg vom kleinen Dorf Betfage hinab nach Jerusalem schon nachgegangen, aber ich habe mich mehrmals verirrt und habe das Ziel Jerusalem aus den Augen verloren und erst spät in der Nacht erreicht. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Schon damals war es so für die Frauen und Männer beim Einzug in Jerusalem – sie sind in die Irre gegangen: Der König, dem sie zujubeln, ist nicht der politische Befreier, der von ihnen zurechtgebastelte Messias. Er ist nicht der der Populist, der nur das redet, was sie immer schon hören wollten, er ist auch nicht der, der alle Kranken heilt und alle Toten erweckt, was sie immer schon erleben wollten. Er ist vielmehr der, der ganz und gar nicht ihren Erwartungen entspricht. Sein Weg, sein königlicher Triumphzug geht Richtung Kalvaria, Richtung Kreuz. Bald werden auch die, die im zujubeln, die ihr Leben vielleicht seinetwegen aufs Spiel gesetzt haben, sich von ihm abwenden, auf Distanz gehen und das Eigentliche verschlafen.

Lebenskunst
Sonntag, 14.4.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Der Palmsonntag, die Karwoche, das Karfreitagsgeschehen und schließlich die österliche Wirklichkeit ist nicht eine fromme Erinnerung an Ereignisse, die sich vor etwa 2000 Jahren am Rand der Welt zugetragen haben. Als solche wären sie nicht einmal eine Randbemerkung in den Geschichtsbüchern wert. Ostern geschieht für mich immer! Ostern ist für mich ein Rufzeichen Gottes! Ostern ist eine Zumutung Gottes für dich und für mich, für alle, die diesen Gott Jesu Christi nicht aus ihrem Leben verdrängen.

Diesen österlichen Gott „sagen“ heißt für mich: sich nicht mit dem Tod, den Leiden und dem Irrsinn des Lebens abfinden müssen; die Ängste, die Hoffnungs- und Zukunftslosigkeit der Menschen nicht überspielen; zugeben, dass mir kein Mensch egal ist, besonders nicht der Arme, Leidende, Fremde, Rechtlose und vom Leben Gezeichnete