Bibelessay zu Lukas 24, 13 – 35

Man kann die Bibel auch so lesen, dass man sich mit einer der darin vorkommenden Figuren identifiziert. Diese Stelle aus dem Lukasevangelium lädt dazu besonders ein. Da sind zwei Männer unterwegs. Einer heißt Kleopas, der andere bleibt namenlos. Eine gute Gelegenheit, in die Rolle des namenlosen Wanderers zu schlüpfen. Was ich hiermit mache:

Alle Träume sind ausgeträumt, alle Hoffnungen vernichtet. Wir sind verzweifelt, am Boden zerstört – wir, die wir mit ihm gegangen sind, die ihm gefolgt sind auf seinem Weg. Der Mann, auf den seine Freunde und so viele andere ihre Hoffnung gesetzt hatten, ist als Verbrecher am Kreuz gestorben. Verflucht, wer am Pfahl hängt, sagen die Schriften. Also zurück zu dem, was vorher war, heim nach Emmaus. Dort weitermachen, wo wir vorher waren, Kleopas und ich, vor dem Beginn der großen Hoffnung.

Franz-Josef Weißenböck
ist katholischer Theologe und Publizist

Der dritte Mann

Da ist noch ein Mann. Er hat offenbar den gleichen Weg, er schließt sich uns an, mir und Kleopas. Er fragt: Was ist los mit euch, ihr wirkt so niedergeschlagen, so unendlich traurig!

Ist das möglich, dass dieser Fremde nicht mitbekommen hat, was vor ein paar Tagen, unmittelbar vor dem Sabbat, in Jerusalem geschehen ist? Die Römer haben ihn gekreuzigt, ihn, auf den wir alle unsere Hoffnungen gesetzt haben. Wir haben Jesus für den Gesalbten des Ewigen gehalten, für den Messias, der das Königreich Davids wiederherstellen wird. Geblieben sind Enttäuschung, Verzweiflung, Bitterkeit. Und zu alldem ist jetzt auch sein Leichnam verschwunden!

Der Fremde zeigt sich im Gespräch bibelfest. Aber er deutet die Schriften der Alten ganz anders als wir es kennen. Ein Messias, der durch sein Leiden in die Herrlichkeit gelangt? Wer soll dem folgen! Es verbrennt mir das Herz.

Auferstehung jetzt!

Endlich in Emmaus, endlich zu Hause. Es ist schon spät, bleib doch bei uns zur Nacht! Und da, als er das Brot in die Hand nimmt, den Segen spricht und – er, der Gast! – uns das Brot reicht, dem Kleopas und mir, geht mir ein Licht auf. Jetzt erst geht mir auf, was Jesus uns gesagt hat, in vielen Worten, Bildern und Geschichten. Wenn wir auf die schauen, die mit uns auf dem Weg sind, schauen wir auf ihn, auf Jesus aus Nazaret. Er ist bei uns, verborgen und präsent in der Gestalt unserer Mitmenschen. Er ist mitten unter uns in denen, die arm, auf der Flucht, schwach und verfolgt sind. Wie hat er gesagt? Was ihr dem geringsten der Brüder tut, das tut ihr mir.

Lebenskunst
Montag, 22.4.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Auf Kleopas, gehen wir nach Jerusalem! Wir müssen das den anderen erklären. Brechen wir auf, jetzt, sofort!

So, und jetzt wieder heraus aus der angenommenen Rolle auf dem Weg nach Emmaus. Das ist meine Überzeugung, und mehr als das, mein Glaube: Wenn wir auf die anderen schauen, sehen wir ihn. Brechen wir auf! Jetzt! Ostern darf nicht vorbei sein. Nicht der Tod hat das letzte Wort. Auferstehung jetzt!