Lieblingsstellen zum Fasten

Fasten hat viele Dimensionen. Da geht es nicht nur um Enthaltsamkeit vom Essen und Trinken.

Gedanken für den Tag 10.5.2019 zum Nachhören (bis 9.5.2020):

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Eine meiner Lieblingsstellen im Koran bringt dies gut zum Ausdruck: Als Mariam/Maria Jesus in der Einsamkeit der Natur unter einer Dattelpalme zur Welt bringt und sie dabei ängstlich bis verzweifelt ist, spricht ihr eine Stimme Mut zu. Wasser entspringt zu ihren Füßen und sie kann Datteln genießen. Und dann heißt es noch: „Wenn du dann irgendeinen Menschen siehst, so sprich: Siehe, ich gelobte dem Erbarmer ein Fasten; so kann ich heute zu keinem menschlichen Wesen sprechen.“

Wege der gegenseitigen Anerkennung

In einer Situation, wo Maria in Sorge sein muss, wie andere auf sie reagieren würden, wenn sie auf einmal als unverheiratete Frau besten Rufs mit einem Baby dasteht, wird ihr ein Fasten - hier wohl vom Sprechen - angeraten. Tatsächlich fallen die Menschen mit harten Vorwürfen über sie her - und sie braucht zu ihrer Verteidigung nichts sagen. Das tut Jesus selbst. Das erste Wunder, als er sich als Neugeborener an die Menschen wendet.

Carla Amina Baghajati
ist Schulamtsleiterin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

Parallel dazu lässt sich eine Aussage des Propheten Muhammad lesen: „Das Fasten ist ein Schutz. Am Tag, an dem einer von euch fastet, soll er keine ungehörigen Reden halten und nicht laut schreien. Und wenn jemand ihn beschimpft oder bekämpft, soll er sagen: Ich bin ein Mensch, der ein Fasten hält.“

Fasten soll Frieden fördern. In mir selbst, als mit mir und Gott versöhnt. Und gleichzeitig als Haltung ausstrahlen ins eigene soziale Umfeld. Unerquicklichem Gerede oder gar Gestreite gehen Fastende tunlichst aus dem Wege. Im Verinnerlichen und danach dem Kommunizieren von „Ich faste“ liegt das Angebot, mögliche Konflikte auf einer Ebene zu lösen, die auskommt ohne Gezänk, Rechthaberei und Eitelkeiten. Das verlangt nach Empathiefähigkeit. Beim Fasten wird auch diese trainiert. Schon wenn man am eigenen Leibe spürt, wie es den vielen Menschen geht, die nicht jederzeit Essen und Trinken im Überfluss haben. Sich auch in einem Konflikt in die Position des anderen, der anderen versetzen zu können, eröffnet zusätzliche Wege der gegenseitigen Annäherung.

Nachher lässt sich in Bezug auf all die Situationen, wo man sonst vielleicht in einen Kampfmodus eingestiegen wäre, reflektierend abwägen: Ging es mir da wirklich um eine gerechte Sache oder nicht vielmehr um mein eigenes verletztes Ego? Und sollte ich mir das, was ich da gerade wieder als friedensstiftend erlebt habe, nicht auch in die Zeit nach Ramadan mitnehmen?

Buchhinweis:

Carla Amina Baghajati, „Muslimin sein - 25 Fragen, 25 Orientierungen“, Verlag Tyrolia

Musik:

Joschi Schneeberger Trio und Christian Havel/Gitarre: „Diknu Alwin“ von Striglo Stöger
Label: City Park Records/Jive Music Austria CIPA 30152