Der Monat des Koran

Jahr für Jahr gehe ich es im Ramadan an, den Koran möglichst einmal ganz zu lesen.

Gedanken für den Tag 11.5.2019 zum Nachhören (bis 10.5.2020):

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Dabei helfen die 30 Abschnitte, in die der Koran geteilt ist. Jeder Tag also ein Abschnitt. Das erinnert mich dann auch an den praktischen Lebenstipp des Propheten Muhammad, lieber beständig etwas Überschaubares zu tun, als riesige Vorsätze zu fassen, die aber nicht umgesetzt werden. In manchen Moscheen wird beim speziellen Gebet am späten Abend im Ramadan jeweils ein Dreißigstel des Koran rezitiert.

Carla Amina Baghajati
ist Schulamtsleiterin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

Nachzudenken gibt es genug

Die meisten Musliminnen und Muslime sind keine arabischen Muttersprachler. Und doch verbindet das Hörerlebnis beim Rezitieren des Koran auf Arabisch alle. Spirituell ist es einfach unersetzbar, den Koran so in sich aufzunehmen, wie er nach muslimischem Verständnis von Gott selbst den Menschen gegeben wurde. In den Schwingungen der Töne klingt an, dass es neben dem unmittelbaren Sinn auch einen tieferliegenden gibt, der eher mit der Seele zu erfassen ist als mit dem bloßen Verstand – und letztlich doch ein Stück Geheimnis bleibt.

Die App auf dem Handy macht mir das Koranlesen viel leichter. Jederzeit und überall verfügbar lässt sich zum Beispiel eine U-Bahnfahrt dafür nutzen. Mit Kopfhörern der Lesung des Lieblingsrezitators folgen und den Text am Bildschirm mitlesen. Ramadan als der Monat des Koran. Weil der Prophet Muhammad die erste Offenbarung im Ramadan erhielt und der Engel Gabriel jedes Jahr im Ramadan alles mit ihm memorierte.

Buchhinweis:
Carla Amina Baghajati, „Muslimin sein - 25 Fragen, 25 Orientierungen“, Verlag Tyrolia

Selbstverständlich muss zum intuitiven Erfassen über das Hören oder laute Rezitieren auch eine verstandesmäßige Auseinandersetzung kommen. „Wollt ihr nicht nachdenken!“, ruft mich der Koran selbst immer wieder auf. Und nachzudenken gibt es genug – faszinierend, wie der Text offen ist, im Kontext der jeweiligen Zeit verstanden zu werden. Methodisch steht ein ganzes Repertoire zur Verfügung: Den Koran mit dem Koran erklären, also Passagen miteinander in Beziehung zu setzen, linguistisch Nuancen in der Bedeutung eines Wortes ausloten, den historischen Hintergrund einer Offenbarung berücksichtigen, Erläuterungen des Propheten selbst und seiner Gefährten heranziehen, letztlich auch die Exegese früherer Gelehrter studieren… um nur einige zu nennen.

Und noch jedes Mal passiert mir, dass ich eine eigentlich bekannte Stelle lese, als spreche der Text auf einmal direkt zu mir. Wollt ihr nicht nachdenken!

Musik:

Taksim Trio: „Muhayyer Kürdi Saz Semaisi“ von Mehmet Resat Aysu
Label: Gas Bijoux (2 CD)