Viereinhalb Minuten Stille

Manchmal wird einem auch die Musik zu viel. Von der Sehnsucht nach ein wenig Stille erzählt Olivier Dantine.

Morgengedanken 22.5.2019 zum Nachhören (bis 21.5.2020):

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Es gibt nicht mehr viele öffentliche Orte, die nicht mit Musik beschallt werden. In vielen Cafés und Bars spielt Musik, oft so laut, dass man sich nicht unterhalten kann, sogar im Linienbus ist man manchmal dem Musikgeschmack des Busfahrers ausgeliefert. Kaufhäuser stimmen die leise Hintergrundmusik genau auf die zu dieser Zeit zu erwartende Kundschaft ab, und hoffen so, die Kauflaune zu steigern.

Olivier Dantine
ist Superintendent der evangelisch-lutherischen Kirche für Salzburg und Tirol

Auf die leisen Töne hören

Der Innsbrucker Hauptbahnhof wird spät abends mit klassischer Musik bespielt. Nicht um die müden Ankommenden zu erfreuen, sondern um Menschen vom Herumlungern im Bahnhofsgebäude abzuhalten. Klassische Musik als Abschreckung sozusagen. Das ist einerseits schade um die Musik, andererseits wird es mir manchmal auch einfach zu viel.

Das mag sich auch der amerikanische Komponist John Cage gedacht haben. Er komponierte im Jahr 1952 das Stück 4‘33“. Es besteht aus 4 Minuten und 33 Sekunden Stille. Dem Vernehmen nach wollte er dieses Stück der Agentur anbieten, die Kaufhausmusik zusammenstellt, damit wenigstens für viereinhalb Minuten Stille herrscht. Die Uraufführung wurde zum Skandal, man kann sich vorstellen, dass es nicht still blieb im Konzertsaal. Stille ist für viele Menschen schwer auszuhalten. Dabei täte in einer lauten Zeit ein wenig Stille gut, damit auch die leisen Töne gehört werden.