Das Unmögliche verlangen

Der „Welttag der kulturellen Vielfalt für Dialog und Entwicklung“, den die UNESCO jedes Jahr am 21. Mai begeht, soll auf den Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt aufmerksam machen. Der „weltweite Reichtum an Kultur, künstlerischen Ausdrucksformen, Traditionen und Lebensstilen“ soll öffentlich gefeiert werden.

Gedanken für den Tag 21.5.2019 zum Nachhören (bis 20.5.2020):

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Nun ist es das eine, fremde Kulturen etwa im Theater zu bestaunen oder kulinarisch zu genießen, das andere, mit der Vielfalt der Kulturen, die sich oft auf engstem Raum befinden, zurechtzukommen. Da ist vielen so viel Vielfalt nicht geheuer.

Brigitte Schwens-Harrant
ist Feuilletonchefin der Wochenzeitung „Die Furche“

Menschen sind verschieden, brauchen aber offensichtlich auch kollektive Identitäten. Sie bilden Gruppen, um sich daheim und sicher zu fühlen. Das geschieht sprachlich und politisch: über Zuschreibungen, Bezeichnungen, Narrationen und nicht selten auch über juristischen und physischen Druck. Damit verbunden ist Ausschließung und oft auch – Abwertung.

„Das Unmögliche ist das Mindeste, was man verlangen kann“

Als der Bürgerrechtler und ehemalige Prediger James Baldwin 1963 in „The Fire Next Time“ seine Erfahrungen als Schwarzer in den USA erzählte, entließ er auch die Kirchen nicht aus der Verantwortung. „Ich würde gerne glauben, dass die Grundsätze Glaube, Hoffnung und Barmherzigkeit lauteten, aber ganz offensichtlich trifft das auf die meisten Christen oder auf das, was wir die christliche Welt nennen, nicht zu.“ Dieser Einschätzung lagen seine Erfahrungen als Schwarzer zugrunde. Die Erlösung, so Baldwin, endet offensichtlich beim Hinausgehen an der Kirchentüre. Draußen dann gilt die Abwertung, der Ausschluss.

Was Baldwin von jenen Bürgerrechtlern unterschied, die sich damals für den Kampf für gleiche Rechte entschieden, war das Festhalten an der Liebe, verstanden nicht nur im persönlichen Sinn, sondern „im universellen herben Sinn des Suchens, Wagens und Wachsens“. Baldwin war nicht bereit, die Weißen generell als Teufel zu sehen. Ihm ging es darum, gerade diesen kategorisierenden und abwertenden Blick zu durchbrechen, die eigene Identität eben nicht durch Abwertung anderer herzustellen.

Aktuell bleibt nicht nur Baldwins Ziel, sondern auch seine Hoffnung: „Ich glaube, dass Menschen besser sein können als angenommen, und ich glaube, dass Menschen besser sein können, als sie sind“, schrieb er. „Ich weiß, ich verlange Unmögliches. Doch in unserer Zeit, wie in jeder Zeit, ist das Unmögliche das Mindeste, was man verlangen kann“.

Buchhinweise:

  • James Baldwin, „Nach der Flut das Feuer. The Fire Next Time“, dtv
  • Brigitte Schwens-Harrant, Jörp Seip, „Mind the gap. Sieben Fährten über das Verfertigen von Identitäten“, Klever Verlag

Musik:

„God bless the child“ von Billie Holiday und Arthur Herzog jr.
Label: Jazz 8337702